Gina
Zoberski versucht zwei Jahre nach dem Tod ihres geliebten
Ehemannes Drew ihr Leben zu meistern. Jeden Tag erstellt sie
umfangreiche To-Do-Listen und bereitet in ihrem Food Truck, den Drew
kaufte und reparierte, köstliche Sandwiches zu. Beschäftigt zu
sein, lenkt sie von der Vergangenheit, der Gegenwart und auch der –
für sie doch besorgniserregenden – Zukunft ab. Denn Ginas Tochter May leidet ebenfalls noch immer unter dem Verlust des Vaters, zu dem sie
eine besondere Bindung hatte. Das Verhältnis zu Gina indes ist
äußerst angespannt.
Genau
so betrachtet Gina dasjenige zu ihrer eigenen Mutter Lorraine. Ständig
hat diese etwas an der Tochter auszusetzen, und auch mit der Wahl
ihres Ehemannes war sie einst nicht einverstanden, weil sie deren Meinung nach unter ihrem Stand heiratete.
Nachdem Lorraine wegen eines schweren Schlaganfalls ins Krankenhaus kommt,
weckt dies nicht nur Erinnerungen an Drews Tod. Als Gina und
ihre Schwester Victoria die Angelegenheiten regeln, fällt Gina eine
zweite Ausfertigung ihrer Geburtsurkunde in die Hände, auf der ein
völlig unbekannter Name steht. Bald sind die
Schwestern einem alten Familiengeheimnis auf der Spur, das sie – da ihre Mutter nicht mit ihnen kommunizieren kann –
zu ergründen versuchen...
Amy
E. Reichert gelingt mit „ Nur wer loslässt, hat das Herz frei“
das Kunststück, eine empfindsame und berührende Geschichte zu
erzählen, in der traurige Momente mit hoffnungs- und humorvollen
gepaart werden. Zentrales Thema sind Mutter-Tochter-Beziehungen:
einmal
von Lorraine
und Gina, deren Schicksale
sich
ähneln
und doch jeweils
andere
Entwicklungen
nehmen.
Hier
ermöglichen es Rückblenden,
an der Vergangenheit
teilzuhaben.
Gina
weiß nicht wirklich etwas über ihre Mutter. Jene komplizierte Person, deren
Großteil des Daseins um den schönen Schein drehte,
ist ihr stets
ein Rätsel geblieben,
obwohl
sie
immer den Eindruck hatte,
dass Lorraine nicht glücklich ist. Erst jetzt bietet sich die Gelegenheit, hinter die Fassade zu
schauen.
Und
dort befindet sich eine junge Frau, die innig geliebt hat. Eine, die nach dem
Tod des Ehemannes eine Entscheidung treffen muss, wie sie sich und
die Kinder versorgen kann. Sie hat keine Ausbildung und keine
Möglichkeit, den Lebensunterhalt zu verdienen. Es stellt sich als
ein schwieriges Unterfangen dar, das ohne Unterstützung zu schaffen. Hinzu kommt
Angst, allein zu sein. So entscheidet sie sich für die
finanzielle und gesellschaftliche Sicherheit und spielt allen eine
perfekte Familie vor.
In
der Gegenwart rücken
Gina
und May in
ihrer angespannten Situation in den Mittelpunkt. In
intensiver Art und Weise widmet
sich
Amy E. Reichert der
vierzehnjährigen
May, die
in einem Strudel aus Trauer
und dem ersten Auftauchen von Gefühlen zu ihrem Mitschüler Connor gefangen
ist.
May
wütet.
Es
ist vor allem die Sprachlosigkeit, mit der ihre Mutter dem Tod des
Vaters begegnet, die May zu schaffen macht. Die beiden reden nicht
über den von ihnen schmerzlich vermissten Menschen. Drew ist für
seine Familie stets da gewesen und hat ihr Halt gegeben. Ohne ihn
stolpern sie durch den Tag, schlagen wild um sich, treffen einander
gelegentlich. Sie haben nicht mit dem Verlust abgeschlossen. May
isoliert sich und sehnt sich gleichzeitig danach, sich gemeinsam mit
der Mutter an Drew zu erinnern. Gina sieht
zwar in der Regel das Positive und versucht
mit viel Optimismus und dem Erstellen ihrer Listen, von ihrer
Unsicherheit abzulenken, ob sie ein neues Kapitel ihres Lebens
beginnen soll. Allerdings die Worte zu finden, auf ihre
Tochter zuzugehen, fällt
ihr schwer.
Amy
E. Reichert erzählt mit viel Feinsinn und Sensibilität.
Vielleicht schrammt sie ein, zweimal nahe an kitschigen Situationen
vorbei, aber einerlei, das tut sie mit so viel Liebe, das einem das
eigene Herz auf besondere Weise anrührt und darum verziehen werden
kann.
Außerdem
greift sie auf weitere Stützen des
Romans zurück: Roza, die warmherzige polnische Nachbarin, auf die
sich alle verlassen können, und Ginas Schwester Victoria „Vicky“,
die mit ihrem unbeschwerten willensstarken Wesen punktet und zur
Stelle ist, obwohl auch sie nicht frei von Problemen ist. Das
ausgeglichene Verhältnis der Schwestern trägt viel zum Gelingen der
Geschichte bei.
"Nur wer loslässt, hat das Herz frei" ist eine emotionale Lektüre über Familienbande, Verlust, Loslassen, Vergeben und Neuanfang, die einen trotz aller Trauer mit einem guten Gefühl und Zuversicht entlässt.
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Erschienen ist der Roman im Heyne Verlag, dem ich für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares danke.
"Nur wer loslässt, hat das Herz frei" ist eine emotionale Lektüre über Familienbande, Verlust, Loslassen, Vergeben und Neuanfang, die einen trotz aller Trauer mit einem guten Gefühl und Zuversicht entlässt.
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