Seiten

Sonntag, 1. März 2020

Weisse Stadt

Privatdetektiv Altmann erhält von Frederik Vorwarth, dem Chef einer florierenden Werbeagentur, den Auftrag, jene Frau zu suchen, die bei diesem einen tiefen Eindruck hinterlassen hat, nachdem er vor ziemlich genau zehn Jahre eine sehr intensive Beziehung mit ihr hatte. Alexa Chevrolet war von einem Tag auf den anderen verschwunden, vor zwei Wochen aufgetaut und erneut von dannen gezogen. Altmann soll herausfinden, wer Alexa ist.

Auch aus Altmanns Leben ist einst eine Frau verschwunden, die er sehr geliebt hat. Ist es schicksalhafte Fügung gewesen, die Vorwarth in Altmanns Büro wehte?

Es dauert nicht lange, und es geschehen merkwürdige Dinge. Für Altmann fühlt es sich an, als könnte jeden Moment der Boden unter ihm nachgeben. Das, was er anpackt, erscheint ihm auf einmal wie vergebliche Mühe. Eines Tages liegt zudem noch eine Schlange in seinem Büro, und seltsamerweise stellt sich das Tier keinesfalls als Störfaktor dar, als würde es dorthin gehören.

Weitere Personen tauchen auf und verschwinden wieder. Und nicht nur das. Die Wirklichkeit verschiebt sich, und nach und nach verstrickt sich der Detektiv in einem Labyrinth von unterschiedlichen Realitäten. Er beginnt, an seiner eigenen Identität zu zweifeln. Wer ist er? Die Reinkarnation eines Polizisten namens Anatol Kerkovian, der vor zwanzig Jahren besser seine kugelsichere Weste angelegt hätte und von einem Zuhälter mit einem Schuss in den Rücken getötet wurde (und darum in dieser Welt noch ein paar Rechnungen offen hat) oder ein mächtiges Wesen aus einer Parallelwelt, das als „Weltenschmied“ über außerordentliche Fähigkeiten und nahezu unbegrenzte Schöpferkraft verfügt, wie ihm geheimnisvolle Besucher aus der „Weißen Stadt“ weismachen wollen. Was ist Traum, was ist Fantasie, was chiffrierte Erinnerung? Denn eines wird langsam klar: Alles dreht sich um Altmann...


Weiße Stadt“ beginnt im Stil des klassischen Noir-Krimis, präsentiert Peter Scheerer doch einen deprimierten Antihelden, der in einem heruntergekommenen Büro haust und einen skurrilen Auftrag erhält. Fragwürdige und undurchsichtige Figuren, schöne Frauen und jede Menge Geheimnisse runden das Bild ab. Soweit so gut. Allerdings belässt es der Autor hierbei nicht. Vielmehr ändert er den vermeintlich eingeschlagen Pfad, betritt fantastische Gefilde und bricht mit den Strukturen von Raum und Zeit.

So entpuppt sich „Weiße Stadt“ nicht auf den ersten Blick, und es bedarf eines hohen Maßes an nüchterner Distanz, die Ereignisse zu entziffern.

Peter Scheerer schreibt sprachlich gewandt und zieht den Leser dadurch in den Bann. Die Handlung wartet mit einigen, markanten Figuren auf, ist wendungs- und überraschungsreich. Deshalb ist zum einen eine gewisse Konzentration von Nöten, dem wechselnden Ablauf zu folgen, zum anderen der Wille, sich auf eine kompakte, visuelle Welt mit eigener Ermittlungsfähigkeit einzulassen. Ist das der Fall und die unbedingte Neugier geweckt, zu welchem Ende die Geschichte führt, stellt sich garantiert Lesefreude ein, gemeinsam mit Altmann Licht ins Dunkel zu bringen.

4,5 Sterne


*Werbung*
Ich danke dem Autor für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Nutzer der Kommentarfunktion erklären sich mit der Speicherung und Verarbeitung ihrer Daten durch diese Webseite einverstanden.