Nach
dem Tod seines Onkels Sebastian, bei dem er seit seinem fünfzehnten
Lebensjahr aufwuchs, erbt der Mittvierziger Junggeselle Lorenz Lovis
den Messner-Hof. Seine Begeisterung hält sich jedoch in Grenzen.
Denn eines ist Lorenz auf keinen Fall – ein Bauer. Als Angestellter
der italienischen Staatspolizei in Brixen hat er von Landwirtschaft
überhaupt keine Ahnung, auch an Interesse mangelt es ihm. Er ist
daher unsicher, ob er das am Totenbett des Onkels gegebene
Versprechen, den Bauernhof weiterzuführen, einhalten will und vor
allem kann.
Andererseits sind auch seine beruflichen Aussichten alles andere als rosig. Der
Dienst unter seinem verhassten Chef Commissario Botta ist die Hölle
und geprägt von ständigen Drangsalierungen, Beleidigungen und
Demütigungen. Und als Lorenz von diesem dermaßen provozieren wird,
dass er seinen Job und damit jahrelange „Knechtschaft“ als
Schuhabstreifer hinschmeißt und kündigt, scheint der Hof so etwas
wie Halt zu bieten. Der anfänglichen Erleichterung, sich nicht mehr
den Schikanen ausgesetzt zu sehen, folgen unmittelbar Existenzängste.
Wovon soll er leben und wie die Schulden abbezahlen, die
Onkel Sebastian in den letzten Jahren angehäufte, auch wenn
Knecht Paul, der Ahnung von der Bewirtschaftung hat, und Angelika, die ebenfalls
auf dem Hof wohnt und sich um das leibliche Wohl kümmert, ihre
Unterstützung zusagen.
Und
ist die Idee, als Privatdetektiv zu arbeiten und so etwas wie der
„Südtiroler Matula“ zu werden, wirklich die Lösung?
Noch
immer voller Zweifel kommt neben einer Anfrage einer besorgten Mutter
über den Aufenthalt ihres Sohnes der Auftrag des ortsansässigen
„Barons“ Carlo Cavagna gerade recht. Lorenz soll ermittelt, wer
tote Uhus auf dessen Grundstück wirft. Bringt dadurch jemand seinen
Unmut über die umstrittenen Baupläne für ein Wellnessluxushotel
gigomantischen Ausmaßes zu Ausdruck und will diese vereiteln? Doch
nicht nur die sinnlos gemeuchelten Vögel bereiten Lorenz Kopfzerbrechen. Als sein Auftraggeber in der eigenen Jagdhütte in
Flammen aufgeht, ist es mit der ohnehin trügerischen Ruhe im
malerischen Brixner Talkessel vorbei. Ehe Lorenz Luft holen
kann, steht er selbst unter Mordverdacht.
In
„Feuertaufe“ von Heidi Troi ist von Anfang an die Hingabe zu
ihrer Heimat Südtirol zu spüren. Die Autorin hat mich jedenfalls
mühelos in eine wunderschöne Umgebung mit beeindruckenden
Berggipfeln, grünen Tälern und Wäldern, Gewässern, Weinbergen,
Städten und Dörfern versetzt, ohne
dass ich jemals dort gewesen bin. Aber ihre Darstellung von Land und
Leuten ist so detailliert, warmherzig
und vorstellungsintensiv, dass ich
Flachländerin
mich sogleich eingeladen fühle.
„Die
Ausläufer des Brixner Talkessels lagen vor ihm. Nach Osten hin, noch
ganz in Sonne getaucht, schirmte die Plose Brixen vor allem Unbill
ab, nach Westen hin erledigte der Radlsee dieselbe Arbeit. Die Sonne
hing nur noch ein paar Fingerbreit über dem Kamm des Kühbergs und
würde bald dahinter verschwinden und den Talkessel in Schatten und
Kälte zurücklassen. Noch aber schickte sie ihre Strahlen ins Tal
und tauchte alles in ein freundliches Licht.“
Der Erzählton, den Heidi Troi anschlägt, ist wohltuend undramatisch
und behutsam.
Sie kommt ohne die
erschreckende Beschreibung von brutaler
Gewalt aus, allerdings auch
ohne Verklärung der tödlichen
Situationen. Tatsächlich
schafft sie
es mit einer besonderen Form
von Zuwendung und Hingabe,
Leichtigkeit und viel Humor, dem
Geschehen die Schwere zu
nehmen.
Lediglich die italienischen Sätze, denen keine sofortige Übersetzung oder Erklärung folgen, gestalten sich für jemanden, der die Sprache nicht beherrscht, etwas umständlich.
Hiervon einmal abgesehen sorgen vor
allem der Witz und die
Ironie, mit denen die Autoren ihre Figuren ausgestattet hat, für amüsante Unterhaltung. Ich habe bei den schlagfertigen Dialogen
und Gesprächen sehr oft geschmunzelt und sogar herzhaft gelacht.
Freude macht es insbesondere, den Protagonisten Lorenz Lovis kennen und seine
reizende sympathische Art, mit den Dingen umzugehen, schätzen zu
lernen.
Lorenz ist ein netter Kerl, wenn auch ungewöhnlich und aus der Sicht seiner
Freunde ein Zauderer, der zu feige für das Geschenk ist, das
ihm in Form des Hofes in bester Tallage mit Obstwiesen, Weinberg,
Gemüsefeldern und sogar einer Alm in dichter Nähe zur Stadt
in den Schoß gefallen ist. Enormer Tatendrang zeichnet ihn nicht
unbedingt aus, und oft stolpert er über die eigenen Füße. Trotz seines Zögern und seiner Bedächtigkeit trägt er einen
schlauen Kopf auf seinen Schultern, den er indes bislang wenig genutzt
hat, so dass er sich deshalb von seinem Bauchgefühl
leiten lässt. Neugier kann ihm nicht abgesprochen werden, seine
Ermittlungsmethoden sind etwas unorthodox und seine Ausstattung mit
einem Steinzeit-Handy hoffnungslos veraltet.
Aber
er hat bemerkenswerte Unterstützer an seiner Seite: Paul, der den
Hauptteil der Hofarbeit stemmt. Angelika, die (fast) immer eine
positive Energie ausstrahlt, obwohl sie als Krankenschwester sich
nahezu täglich mit schwerer Krankheit und Tod auseinandersetzen
muss. Die drei Jungen Matthias, Iwan und Erik, die mehr Ahnung von moderner Technik
haben, als Lorenz jemals von sich sagen kann. Und erwähnt werden muss
noch Alma. Das Araucana-Huhn ist stets bereit, sich die Probleme ihres Herrchens "anzuhören".
Lorenz
Lovis hat die „Feuertaufe“ bestanden. Die kurzweilige Lektüre überzeugt mit einem Gesamtkonzept, einer
Mischung aus Lokalkolorit und authentischem Ermittler, in der es die
eine oder andere Wendung und Überraschung gibt. Sie ist ein
gelungener und empfehlenswerter Start der Krimireihe um den Südtiroler Privatdetektiv.
4,5 Sterne
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Erschienen ist das Buch im Servus-Buchverlag, dem ich für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares danke.
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