Für
zwei Tage nehme ich euch mit nach Sylt, die größte nordfriesische
Insel in der Nordsee. Literarisch, denn ich selbst war noch nie dort.
Verena
wird nach fast zwanzig Ehejahren von ihrem Mann verlassen, nachdem
sie durch einen Zufall erfahren hat, dass er bereits seit vielen
Monaten mit seiner blutjungen Praktikantin Annika ein Doppelleben
führt. Verena ist am Boden zerstört. Deshalb trifft sie der
„Verrat“ ihrer einstigen großen Liebe mit einem tiefen Stich im
Herzen. Wie
viele andere Frauen hat sich Verena wenig um ihr eigenes beruflichen
Fortkommen bemüht, sondern sich um die Kinder und den Haushalt
gekümmert. Das rächt sich nun.
Auch
darum flüchtet Verena mit Hund Rudi aus dem Reihenhaus am Rande des
Ruhrgebiets auf die Insel Sylt zu ihrer Tante Marlene, die in
Wenningstedt Ferienwohnungen vermietet. Sie hofft, dass sie hier Ruhe findet und das Geschehen verarbeiten sowie sich über ihre
Zukunft klar werden kann. Und sie lernt den Sylter Hanno kennen, bei
jeder Begegnung spürt sie ein Knistern und Kribbeln im Inneren.
Wird
dies ein Aufbruch in eine neues Leben?
Auf
der Insel möchte Verena sich außerdem mit ihrer besten Freundin
Caro treffen und gemeinsame Zeit verbringen.
Caro
ist Lehrerin und seit zwei Jahren Single. Die Begegnung mit ihrem
neuen Nachbarn Ben, der anfangs nervt, dann aber Interesse an ihr
offenbart, aktiviert offensichtlich ihre Partnersuch-Hormone. Warum
sonst sollte ihr plötzlich die Attraktivität von Michael,
ihrem Kollegen auffallen, der nicht nur über gutes Aussehen, sondern
auch über einen hervorragenden Charakter verfügt. Er ist engagiert,
feinfühlig, lustig und kann kochen. Ein Problem gibt es jedoch: die
blonde Referendarin Julia hängt wie eine Klette an Micha und scheint
sämtliche Annäherungsversuche zu torpedieren.
Daniela
Gesing baut ihre Geschichte „Sommerzauber auf Sylt“ mit Themen
auf, die zwar nicht neu sind, aber tagtäglich passieren
können. Sie macht dies in einer gelösten und trotz der
angesprochenen Probleme unbeschwerten Erzählweise aus Sicht von
Verena und Caro, und das vor allem mit viel Sympathie und Empathie
für ihre Protagonistinnen.
Wenngleich
einige Missverständnisse in ihrem Auftreten leicht überzogen
wirken, verhindert es die Autorin mit glücklicher Hand, in eine
klischeehafte Darstellung abzurutschen, weil sie die Schilderungen
nicht überstrapazierend ausbaut.
Bei
der Gestaltung der im Fokus stehenden Figuren hat mir besonders
gefallen, dass Verena nach ihrer anfänglichen Erschütterung, ihrer
Ohnmacht hinsichtlich des Verhaltens von Jan sowie den
zwischenzeitlichen Zweifeln daran arbeitet, dies alles hinter sich zu
lassen, um ihr zerstörtes Selbstwertgefühl wieder zu errichten. Sie schwankt zwischen der Trauer, dass
das Gewohnte verloren
geht und der Erkenntnis, dass sie
eigentlich immer gewusst und damit
die Augen vor der Wahrheit verschlossen hat, dass Jan und sie nicht
wirklich zueinander passen.
Verena kann sich ihre Emotionalität
bewahren, und meine Bewunderung gilt
auch ihrer
neuen Eigenständigkeit und Eigenverantwortung.
Caro
hingegen hat sich mit der Tatsache arrangiert, dass wohl Familie und
Kinder für sie nicht (mehr) in Frage kommen. Unvermittelt steht sie im
Fokus von zwei Männern, und der Autorin gelingt es gut, jenes, in
Caro herrschende Dilemma, sich ihrer Empfindungen für Ben und Micha
bewusst zu werden, sie zu sortieren und zu gewichten, mit
Plausibilität zu
beschreiben.
Daniela Gesing zeigt in „Sommerzauber
auf Sylt“ in beachtlicher und ermutigender Weise, dass ein
Neuanfang jederzeit ein von Erfolg gekröntes Wagnis sein kann.
*Werbung*
Der Roman ist im Maximum Verlag erschienen, dem ich für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares danke.