"Weihrauch und Schwert"
Wir schreiben das Jahr 882. Seit ihrer Vertreibung aus England sind
die Dänen auf Beutezug im Rheinland. Vor allem auf die reichen Klöster haben
sie es abgesehen, denn dort finden sie überhaupt keine Gegenwehr. Aber auch vor
den schlecht gesicherten und kaum verteidigten Städten machen sie keinen Halt,
und immer hinterlassen sie rauchende Trümmer.
Nun stehen sie vor den Toren des Klosters Prüm in der Westeifel.
Dessen Mönche sind rechtzeitig geflohen, nachdem sie ihre anfängliche
Verteidigungsbereitschaft angesichts mangelnder Erfolgsaussichten ad acta
gelegt haben.
Allein Tankred bleibt zurück. Der Bibliothekar sorgt sich um die
Bücher der Abtei, sie sind sein zweites Leben. Deshalb möchte er sie retten,
bevor er Prüm ebenfalls den Rücken kehrt.
An diesem 6. Januar 882, dem Epiphaniastag, entscheidet sich Tankreds
Schicksal, und er tritt seinen Rückweg in sein altes Leben an. Aus Tankred, dem
Benediktinermönch und Bibliothekar, wird wieder Tankred, der Sohn des Grafen
Thegan, ein zum Kämpfen erzogener und ausgebildeter Krieger.
Ab dem Moment, den er nicht mehr als Mönch hinter Klostermauern
verbannt ist, treibt ihn noch etwas an: Die Sorge um seine Schwester Judith,
den einzigen Menschen aus der Verwandtschaft, der ihm etwas
bedeutet. In Wahrheit ist es Tankred allein, der weiß, wo Judith lebt, genau
genommen derjenige, der weiß, dass sie überhaupt lebt.
Trotz aller Hoffnung kommt er zu spät. Judith ist nicht mehr in
Aachen, wo er sie in Sicherheit glaubte, sie wurde von Dänen entführt.
Gemeinsam mit seinem neuen Gefährten Gauzbert folgt er der Spur der Dänen, immer in der Hoffnung, dass Judith wegen
ihrer Besonderheit – zwei verschiedenfarbige Augen –, nicht als Sklavin
verkauft wird.
Die Reise ist beschwerlich, nicht nur die winterlichen
Witterungsverhältnisse machen ihnen zu schaffen. Sie müssen ebenso ständig auf
der Hut vor den Dänen sein, die ihren Weg kreuzen.
Tatsächlich entdecken sie Judith in den Fängen des Dänen Ivar, ein
unberechenbarer und gewalttätiger Unhold, der selbst von seinen eigenen Leuten
als irre betrachtet wird. Eine Befreiung stellt sich dadurch als viel schwieriger
heraus, als angenommen …
Mit „Weihrauch und Schwert“ startet Michael Römling die Reihe um
seinen Helden Tankred, für die er sich eine Epoche der wenig bekannten deutschen
Geschichte ausgesucht hat und eher selten Mittelpunkt historischer Romane.
Von Anfang an fasziniert seine Darbietung der Ereignisse, weil er hier nicht nur fundiertes
historischen Wissens einbettet, sondern auch einen mitreißenden und
überzeugenden Erzählton anlegt und diesen dauerhaft zu halten vermag, dessen
thematisch notwendige Ernsthaftigkeit mittels humorvoller Szenen aufgelockert,
so dass ein vereinzelter Ausflug in die moderne Sprache verziehen wird.
Der Autor ist in der Lage, uns mit detaillierten Bildern Einblicke in die
damaligen, geschichtlich überlieferte Vorgänge zu gewähren und paart diese mit
einer fesselnden Handlung, in der seine fiktiven Figuren neben einstigen
Persönlichkeiten agieren.
Überhaupt sind es die sorgsam und unverwechselbar ausgearbeiteten
Charaktere, vordergründig Tankred in seinem Zwiespalt, indes auch alle anderen von
Gauzbert und Lupus, Fidis und Folchar, bis hin zu den familiären und dänischen Gegenspielern,
die den Roman zu einer unterhaltsamen Lektüre machen.
Der Roman profitiert von der Erzählweise seines
Protagonisten aus der Ich-Position heraus. So befinden wir uns als Leser mitten im, an Tempo zunehmenden
Geschehen und sind in die Abenteuer im Grunde hautnah involviert.
Die Schilderungen des im Kloster zum Manne gereiften Tankreds sind
facettenreich, offen und ehrlich, manchmal deftig im Ausdruck, meist direkt und
schmuck-, aber nicht emotionslos. Hinsichtlich der ihm anvertrauten Menschen
offenbart Tankred seine weiche Seite und begegnet ihnen mit Rührung und Liebe
sowie der unbedingten Entschlossenheit, besonders die zerbrechlichen Leben zu
verteidigen.
Einst hatte er, der Sohn eines Adligen, einen Menschen getötet und
wurde in die klösterliche Verbannung nach Prüm geschickt. Dort arrangiert sich
der junge Mann, anfänglich noch zerfressen von Hass und Wut, mit seinem Los,
erfährt Erfüllung in seiner Tätigkeit als Bibliothekar und verbringt einen
Großteil seiner Zeit in der Abtei – immerhin zwölf Jahre – damit, sich mit
Wissen „vollzusaugen“ und dieses Wissen bei Tag und Nacht zu verarbeiten, zu
notieren, nachzuschlagen, abzugleichen, zusammenzufassen und umzuformulieren.
Indes will es das Schicksal anders. Von einen Tag auf den anderen wird
Tankred vom beschaulichen Dasein als Mönch, als Denker und Freund der
Wissenschaft zurück katapultiert ins Leben als Kämpfer, hinein in ein Spiel aus
Macht und Intrigen, bei dem wir ihn im Folgeband weiterhin gerne begleiten.
"Hammer und Kreuz"
Nachdem Tankred seine Halbschwester Judith aus der Gefangenschaft des
Dänen Ivar befreit hat, kann er an die Verwirklichung seiner eigenen Ziele
denken: Die Vertreibung seiner Stiefmutter Uta, die ihn um sein Erbe betrogen
hat.
Dies erreicht er jedoch nur, wenn die Ehe seiner Eltern für
gültig erklärt und folglich seine Ehre wiederhergestellt wird, was bedeutet,
dass Uta und somit auch Halbbruder Gerold keinerlei rechtliche Ansprüche auf
Land und Titel haben.
Ohne die Unterstützung einflussreicher Persönlichkeiten ist dies
schier unmöglich, zumal Tankred seine Zukunft mit legalen Mitteln sichern will.
Aus diesem Grund nimmt er einen neuen Auftrag an, der seinen Einsatz
als Krieger fordert. Erneut soll er gegen die Dänen kämpfen, die sich in die
Festung Asselt an der Maas zurückgezogen haben. Einen Vorteil hat das Ganze:
Seine Heimat Maastricht und Aachen, wo Judith und Fidis auf ihn warten, sind nur
einen Tagesritt entfernt.
Tankred drohen nicht nur neue Kämpfe, sondern auch Ärger und anderes
Ungemach …
„Hammer und Kreuz“ von Michael Römling setzt dort
ein, wo „Weihrauch und Schwert“ endete. Fließend führt der Autor die
Erlebnisse seines titelgebenden Helden Tankred fort und beansprucht dessen
Verstand, die Spontanität und seinen unerschrockenen Einsatz.
Der ehemalige Mönch ist zu einem wichtigen Mann geworden, niemand stellt seine
Autorität infrage. Aber Tankred kommt einfach nicht zur Ruhe und steht vor
neuen Herausforderungen, obwohl er eigentlich nur seine Ehre wiederherstellen
und letztlich für das zukünftige Leben mit seiner geliebten Fidi sorgen möchte.
Dafür muss er Kompromisse eingehen, das heißt aufs Neue mit dem
Schwert in der Hand gegen die Dänen zu Felde ziehen.
Außerdem hat Bischof von Lüttich einen weiteren Auftrag für ihn:
Er soll Osmund, seinen Sohn, aus dänischer Gefangenschaft befreien. Gerade Franco
kann er die Hilfe nicht verweigern, ist er doch derjenige, der über die
Gültigkeit der Ehe von Tankreds Eltern entscheidet. Allerdings hat der Kirchenmann
auch Halbbruder Gerold in die Spur geschickt.
Mit einer routinierten Verknüpfung von historischer Wahrheit und Fiktion
schildert der Autor die Vorkommnisse des Jahres 882, in die Tankred aktiv
involviert wird. Der Handlungsaufbau ist auch in „Hammer und Kreuz“ ausgereift
und durchdacht, dramatische Ereignisse wechseln mit beschaulichen Szenen, so
dass das Tempo bis auf gelegentliche Ruhephasen frisch und zügig vorangetrieben wird.
Dank der Schilderung aus Tankreds Sicht können wir ihn nicht nur in
seine Schlachten begleiten, sondern auch seine Gedankengänge sehr gut nachvollziehen
und mit einer eigenen Wertung versehen.
Beachtenswert ist erneut die Fülle in der Riege der
Figuren, die mit Ecken und Kanten aufwarten und nicht immer auf den ersten
Blick offenbaren, ob sie nun Freund oder Feind sind.
Einen ausgesprochenen Reiz
der Geschichte machen die kleinen Wortgefechte aus. Die meisten
Persönlichkeiten sind redegewandt und schlagfertig, so dass sich ein hoher
Unterhaltungswert mit Schmunzelfaktor ergibt, bei dem neuzeitliche Ausdrücke
entschuldbar sind.
Gefallen hat mir außerdem die zurückhaltend integrierte
Liebesgeschichte. Da bin ich mir mit Tankred einig, Fidi habe ich einfach ins
Herz geschlossen, vorrangig wegen der gelassenen Urteilskraft, die sie mit ausreichender
Nüchternheit der Rastlosigkeit ihres Gefährten entgegenstellt.
Michael Römling hat mit „Hammer und Kreuz“ eine in der Gesamtheit aus
Handlung, Figuren und Schreibstil überzeugende Fortsetzung geschaffen, nach
deren Lektüre mit Freude den neuen Abenteuern entgegengefiebert werden kann.
"Krone und Kelch"
Mitte August 882. Der Tag beginnt mit strahlendem Sonnenschein, und
dass Wetter passt zur Stimmung von Tankred, dem einst in die Klosterhaft
verbannten Grafensohn. Schließlich sieht er einer vielversprechenden Zukunft entgegen,
erneut ist er seinem Ziel, sein Erbe zurückzuerhalten, wieder ein Stück
nähergekommen. Das Unrecht, das die vergangenen fünfzehn Jahre seines Lebens
vergiftete, wird an diesem Tag rückgängig gemacht, die Gerechtigkeit
wiederhergestellt, die Schande ausgelöscht, Wut und Groll besänftigt.
Bischof Franco, mit dessen Urteilsspruch Tankreds Misere vor vielen
Jahren begann, überreicht ihm das Pergament, mit dem die Annullierung der Ehe
von Tankreds Eltern für null und nichtig und deren beiden Söhne als rechtmäßige
Nachfolger erklärt werden.
Tankred ist inzwischen ein bekannter
Mann, seine Leistungen werden gewürdigt. Innerhalb von wenigen Monaten ist er von einem Mönch auf der
Flucht zu einem Ratgeber des Kaisers geworden, dessen Anführer ihm
Gehör schenken und seine Pläne so sehr schätzen, dass sie sie als ihre eigenen
ausgeben.
Zwar ist die Dänenplage vorerst vorbei – mit Kisten voller Gold und
Silber sind die Invasoren nach jahrelang ertragenen Drangsalierungen der
Menschen abgezogen, nachdem sie mehrere Wochen in ihrer Inselfestung Asselt
belagert worden waren. Hingegen sitzen Uta und Gerold immer noch auf dem
Familienanwesen und werden das Feld nicht freiwillig räumen.
Tankred braucht mithin Unterstützer, die ihm Bewaffnete zur Verfügung
stellen. Andererseits hatte es sich bereits in der Vergangenheit abgezeichnet, dass er
noch nicht den versprochenen und erforderlichen Beistand in dem Maße erhält, wie
er ihn gegen seinen Halbbruder Gerold benötigt.
Vielmehr soll er zunächst einmal im Geheimen eine Gesandtschaft nach
Rom führen, die für den Kaiser bei Papst Johannes um die Erfüllung eines
delikaten Anliegens nachsucht.
Tankred tritt also eine gefährliche Reise an. Seine Begleiter sind
seine Freunde Lupus und Gauzbert sowie Nantbert, ein Mönch aus Fulda, der in
theologischen Fragen bewandert ist wie kein Zweiter, und Hunold, ein Priester
aus Utrecht, der angeblich sämtliche Erlasse, Dekretalen und Verträge der
letzten hundert Jahre sowie den zugehörigen Schriftverkehr im Schlaf
runterbeten kann.
So vergeht wieder einige Wochen und Monate, bevor sich Tankred und
Gerold endlich gegenüberstehen …
Mit „Krone und Kelch“ finden die Handlung, die in „Weihrauch und
Schwert“ ihren Anfang genommen hat und in „Hammer und Kreuz“ weitergeführt
wurde, ihren vorläufigen Abschluss.
Allerdings gönnt es Michael Römling seinem Helden Tankred zunächst
(noch) nicht, im Privaten erfolgreich zu sein und endgültig zur Ruhe zu kommen.
Stattdessen fügt er dem erbitterten Kampf seines Protagonisten mehrere neue
Kapitel hinzu und lässt ihn zum wiederholten Male für den Kaiser die Kastanien
aus dem Feuer holen oder mit Tankreds Worten ist er wieder derjenige, „der den
Karren für den Kaiser aus dem Dreck“ zieht und mit Selbstverständlichkeit sein
Leben aufs Spiel setzt.
Es wundert nicht. Schließlich zeichnen unseren Helden Intelligenz, Geistesschärfe und Leidenschaft aus.
Seine Bildung befähigt ihn, den Dingen auf den Grund zu gehen. Er ist loyal, integer
und unbestechlich und wechselt nicht mal eben die Fronten, um schneller
vorwärtszukommen. Außerdem hat er bewiesen, dass er sich nicht einschüchtern
lässt. Gleichwohl ist er nicht fehlerfrei, kehrt so manches Mal den „Graf
Neunmalklug“ heraus. Letztlich durchläuft er eine Entwicklung, die für ihn
spricht, bei der das Verlangen nach Rache von dem Wunsch nach Gerechtigkeit beiseite
gedrängt werden.
Dem Autor hat es sicherlich Vergnügen bereitet, Tankred ein paar Überraschungspäckchen zu schnüren.
Und ordentlich „Remmidemmi“ und Verschwörungen zu ersinnen.
Und zwar unter anderem in Rom, in der Machtzentrale der Christenheit.
Bereits der Weg dorthin ist beschwerlich. Denn schnell wird offensichtlich,
dass die Reise der Gesandtschaft gar nicht so geheim ist wie angenommen. Auf das Leben von Tankred würden seine Begleiter wahrscheinlich keine
Münze mehr setzen angesichts der Anschläge, mit denen er konfrontiert
wird, und der zahlreichen Bemühungen, ihn zu töten.
Auch im dritten Band greift der Autor auf seine umfangreiche
historische Recherche zurück und präsentiert einen bunten Reigen aus
tatsächlichen Vorfällen, die sich in den fiktiven Rahmen perfekt einfügen.
Michael
Römling hat seinen Sprachrhythmus intensiv verfeinert und prägnant ausgearbeitet, setzt hinsichtlich
Tragik und Komik eine gelungene Mischung ein und würzt
das Geschehen mit Esprit und Witz, wozu auch ein paar „Sportwiele“ beitragen.
„Krone und Kelch“ setzt einen Schlussstrich unter
die „Reise“ von Tankred auf der Suche nach Gerechtigkeit. Während ich die
gesamte Reihe mit Begeisterung gelesen habe, ist der dritte Band mein persönlicher Höhepunkt.