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Montag, 27. März 2023

Das gelbe Tuch - Teil 2: Rezension

Es herrscht ein ordentliches Getümmel in Nürnberg im April 1449. An diesem Tag der Heiltumsweisung strömen Hunderte aus dem ganzen Umland in die Stadt, um einen Blick auf Insignien und Reliquien wie die Heilige Lanze, die Reichskrone oder das Krönungszepter zu werfen.
 
Mitten unter den Menschen ist auch Anna, die als Dirne arbeiten muss. Vor drei Jahren wurde ihr Dasein vollständig auf den Kopf gestellt, als ihre Brüder sie aus der lieb gewonnenen, sicheren Geborgenheit eines Klosters gerissen und an ein Frauenhaus verkauft haben. Seitdem bietet sie dem Schicksal die Stirn und kämpft ums Überleben.
 
Endres ist zum ersten Mal nach sechs Jahren wieder in Nürnberg, und alles wirkt dort für ihn vertraut und zugleich fremd. Im geheimen Auftrag seines Herrn, dem Markgraf Albrecht von Ansbach, der im Streit mit der Reichsstadt liegt, führt sein Weg ihn in das Hurenhaus, in dem Anna arbeitet. Der jungen Frau wird schnell klar, dass Endres anders ist als die Männer, die sie sonst aufsuchen, denn er bedient sich ihrer nicht, sondern achtet sie als Person.
 
Zwischen beiden entstehen erste zarte Bande. Doch die Reichsstadt rüstet zum Krieg gegen den Ansbacher Markgraf, und Endres balanciert als dessen Spion auf schmalem Grat. Und Anna bleibt vom Unglück noch immer nicht verschont ...

 

„Das gelbe Tuch“ von Priska Lo Cascio ist ein historischer Roman nach meinem Geschmack. Die Autorin beweist bei der ausführlichen Schilderung der Ereignisse vor der Kulisse des mittelalterlichen Nürnberg nicht nur ein fundiertes Hintergrundwissen, sondern sie setzt ihre erdachte Geschichte hervorragend in den historischen Kontext.
 
In einem Nachwort bringt die Autorin Licht in Dunkel von Wahrheit und Erfindung. Ein Personenregister lässt einen die handelnden Figuren im Auge behalten, während das Glossar notwendige Begriffe erläutert.
 
Priska Lo Cascio greift auf ein ausgezeichnetes sprachliches Können zurück und stellt die in großen Teilen schweren und schwierigen Lebensverhältnisse der Menschen am Rande der Gesellschaft detailliert und in eindringlicher Intensität dar.
 
Mitreißend erzählt ziehen einen das Schicksal und die äußeren und inneren Kämpfe der Protagonisten in einem dramatischen und emotionalen Spannungsbogen in seinen Bann, wenn die Autorin das damalige tatsächliche Geschehen und die einst existierende Persönlichkeiten mit fiktiven Figuren verknüpft.
 
Gerade mit diesen von ihr entworfenen Charakteren überzeugt sie auf ganzer Linie.
 
Anna, die von vielen wegen ihrer zweifarbigen „Teufelsaugen“ – eines in dunklem Kohlebraun, das andere so hell wie das Kraut der Silberminze – abgelehnt oder sogar gefürchtet wird, hat mich gleich für sich eingenommen, und ich habe mehr als einmal mit ihr gelitten. Sie hat mich beeindruckt mit ihrem Willen und ihrer Kraft, die beide im Verlauf des Geschehens wachsen, aber auch mit ihrer Wissbegierde und Klugheit.
 
Endres, privilegierter Sohn aus gutem Hause, hat sich von seiner Familie abgewandt, nachdem er in Konflikt mit seinem Vater geraten ist. Lediglich mit seinem Bruder Ulman verbindet ihn Zuneigung. Er ist auf Grund seiner Vergangenheit kein einfacher Mann, jedoch einer, dessen unaufdringliche, manchmal sogar distanzierte Art bei Anna mehr Gutes bewirkt, als sie seit Langem von irgendjemandem erfahren hat.
 
„Das gelbe Tuch“ bietet einen Rahmen für eine Geschichte, in der Liebe und Freundschaft, Mut und Hoffnung, Vertrauen und Hilfsbereitschaft von großer Bedeutung und Wertigkeit sind.

Das gelbe Tuch - Teil 1: Drei Fragen

Den heutigen Tag möchten Patricia von Blog NICHTOHNEBUCH und ich diesem hervorragenden historischen Roman widmen.
 

Drei Fragen an Patricia:

Was macht für dich den besonderen Reiz der Geschichte aus?

Es ist eine dieser Geschichten, die mich von Anfang an fesseln, es mir beinahe unmöglich machen, zwischendurch Lesepausen einzulegen.  Die stimmungsvolle Atmosphäre des Buches sorgt dafür, dass ich mich gedanklich in die damalige Zeit zurückversetzt fühle. Ganz besonders mag ich die Verflechtung tatsächlicher historischer Fakten mit fiktionalem Geschehen.

Was hat dir an Anna am meisten imponiert?

Anna ist ein kluger Kopf, eine fleißige und liebenswerte junge Frau. Zunächst scheint es, als wolle sie sich ihrem Schicksal fügen Doch plötzlich erkennt sie ihre Stärke, wächst über sich hinaus und zeigt sich kämpferisch. Raus aus der Opferrolle.

In welcher Szene hast du besonders mitgefühlt (positiv oder negativ)?

Ehrlich gesagt, kann ich das nicht an bestimmte Szenen knüpfen. Anna ist mir von Anfang an sympathisch. Ich schließe sie schnell in mein Herz, fühle und leide mit ihr durch die ganze Handlung hindurch. Sicher könnte ich hier die eine oder andere Szene benennen, die besonders berührend ist, aber wir wollen doch nicht zu viel verraten.

 
Meine Antworten auf Patricias Fragen findet ihr auf ihrem Blog.
 
Teil 2 folgt heute Abend ...

Mittwoch, 8. März 2023

Quimby und sein Traum vom Fliegen


Quimby wird einmal ein großer Pinguin. Schließlich gehört er zu den Kaiserpinguinen, die als Erwachsene durchaus Körpermaße von über einen Meter erreichen. Indes sind auch Kaiserpinguine in einer Sache ganz klein: Sie können – wie alle ihre Artgenossen – nicht (mehr) fliegen. Was für ein Dilemma. Besonders für Quimby.

Das Wasser seiner Heimat, der Antarktis, in dem er sich blitzschnell schwimmend fortbewegen könnte, wenn er es denn gelernt hätte, ringt ihm wenig Begeisterung ab. Ihn zieht es nämlich in die Lüfte. Wie sein großes Vorbild: den Albatros Manu. Er ist wie ein Vater für ihn und er kann das, was sich Quimby sehnlichst wünscht: Fliegen. Das versteht Quimby nicht, sie sind doch beide Vögel. Trotz des Spottes der anderen Pinguine und ihrer Ratschläge, sich mit der Tatsache abzufinden, hält er an seinem Traum fest: Eines Tages möchte er auch fliegen können.

Der Weg dorthin ist gepflastert mit Abenteuern, Risiken, Gefahren und Rückschlägen. Aber Quimby verliert sein Ziel nicht aus den Augen.


Isabell Hatt und Romain Previti haben sich mit „Quimby und sein Traum vom Fliegen“ den Wunsch vom eigenen Kinderbuch erfüllt und eine Geschichte voller Inspiration geschrieben, die sich in ihrer einfachen und verständlichen Erzählweise gut zum Vorlesen eignet. Wegen des umfangreichen und ausführlichen Textes dürfte die Aufmerksamkeit von Dreijährigen auf Dauer nicht zu halten sein, jedoch das Interesse von Kinder ab Vier oder Fünf wecken.

Das liegt auf jeden Fall auch an den fröhlichen Illustrationen, deren Verhältnis zum Text zwar nicht optimal ausgewogen erscheinen, die allerdings die Handlung der Geschichte stimmig untermalen.

Von Isabell Hatt und Romain Previti werden einige Inhalte angesprochen, mit denen sich Kinder in diesem Alter bereits beschäftigen.

Quimby, dem Mutter und Ziehvater Manu viel Freiraum lassen, muss selbstsicher werden im Umgang mit Herausforderungen, seine Stärken ausloten, sich mit seinen Ängsten auseinandersetzen und lernen, seine Verzweiflung bei Niederlagen und Enttäuschungen in etwas Gutes zu verwandeln, sich dabei immer wieder neu motivieren, seinen Horizont zu erweitern und nach etwaigem Scheitern nicht aufzugeben.

Dazu gehören Hartnäckigkeit, Ehrgeiz, Zuversicht und die Bereitschaft, am eigenen Traum festzuhalten. Und es bedarf der Freundschaft und Hilfsbereitschaft vieler Tiere und Menschen. Wobei letztere in der Geschichte einen Stellenwert einnehmen, den ich mir persönlich in einem anderen Maß gewünscht hätte.


Was bleibt ist ein liebenswerter kleiner Pinguin, der seinen Weg geht, um seinen Platz in der Welt zu finden.

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Ich danke für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares, insbesondere Literaturtest für die Vermittlung.