Ronan ist Schwertkämpfer par excellence und scheint damit
würdiger Nachfolge auf den Thron von Raukland zu sein. Allerdings will es das Schicksal anders. Weil er wegen eines angeblichen Rausches seine Männer nicht in eine
Schlacht führen kann, fällt er bei seinem Vater, König Azel, in Ungnade. Nicht
nur, dass dieser ihn auspeitschen und brandmarken lässt. Er schickt ihn auf die
Insel Lannoch, damit er diese Raukland untertan macht. Nur dann kann er auch
Rauklands König werden.
Ronan hat keine Wahl. Auf Lannoch erwartet ihn ein Jahr
voller Prüfungen. Mit Waffengewalt kann er dort nichts ausrichten, und die
Insel darf er nicht verlassen. Schließlich ist Bedingung dafür, rechtmäßiger König von
Lannoch zu werden, die Erfüllung der
von den ehemaligen Königen Lannochs niedergeschriebenen Aufgaben.
Hierfür braucht er einen Freund, den er auf der Insel finden
muss, weil er hierher allein gekommen ist. Könnte es nicht von Vorteil sein, dass er gerade
Liam das Leben gerettet hat? Würde da nicht jeder andere auch zum Freund
werden? Tatsächlich erklärt sich Liam bereit, als Ronans Freund aufzutreten,
verlangt im Gegenzug, dass Ronan ihn beschützt.
Aber was macht einen Freund aus?
Ronan ist völlig ahnungslos, schon bei der Aufforderung, den Namen seines "Freundes"
zu nennen, versagt er. Bis zu seinem Ziel liegt ein langer Weg vor ihm...
Jordis Lank erzählt mit dem ersten Band ihrer Raukland-Triologie eine fantastische Geschichte, die jedoch
erfreulich menschlich und tiefgründig ist. Denn die Autorin legt vor allem Wert
auf eine Schilderung, wie aus zwei unterschiedlichen jungen Männern Freunde
werden können.
Mit Ronan und Liam hat sie zwei vielschichtige Charaktere
geschaffen, die beeindrucken.
Als Ronan auf Lannoch eintrifft und Merin, dem König,
begegnet, ist sein Blick noch dunkel und unergründlich, sein Tonfall
selbstbewusst und fordernd. Er ist für Merin wie ein Splitter, der unter die
Haut fährt. Stechend und drückend, unangenehm, so dass er eigentlich entfernt
werden müsste. Ein Grund, warum es der König dem jungen Krieger nicht leicht
macht.
Zwar verfügt Ronan nicht nur über eine klare Denkweise und
Entschlossenheit, sondern auch über eine ruhige Körperbeherrschung, Ausdauer, Mut
und Zuversicht, mit der er das Schwert federleicht und virtuos führt. Er
fechtet mit jeder Faser seines Körpers, mit seinem Herzen. Das ist großartig, beängstigend
und faszinierend zugleich. Doch Zuneigung, Liebe und Freundschaft sind ihm zum
großen Teil fremd. Das Leben als Kämpfer in Raukland hat ihn geprägt. Schon als
Fünfzehnjährige ist er Anführer von Männern geworden, die wesentlich älter als
er sind, wenngleich sein Charisma ihn befähigt, jeden zu bewegen, ihm in eine
Schlacht zu folgen.
In diesem Jahr auf Lannoch lernt Ronan das Lachen und außerdem,
dass es beglückend ist, einfach mal sorglos Spaß an etwas zu haben. Er kann jungenhaft
sein und anderen eine Freude machen, zum Beispiel mit geschnitzten Weidenflöten.
Er begreift, was es heißt, für andere einzutreten und dass es zudem Aufgaben
gibt, die nur mit Hilfe anderer bewältigt werden können.
Was es bedeutet, einen Freund wie Liam zu haben, der im
Gegensatz zu Ronan schwach ist. Zumindest was seine körperliche Kraft und seinen Mut
betrifft. Liam scheut die Konfrontation für den Fall, dass es unangenehm wird. Seine
Stärke ist eher innerer Natur. Er ist selbstlos, weiß jedoch um seine
Fehlbarkeit und steht dazu. Gefühle sind ihm nicht fremd und er verleiht ihnen
Ausdruck. Ob es die Bewunderung für Ronans Fertigkeiten oder seine eigenen
Ängste sind. Im Laufe der Zeit begreift er, dass es gewisser Fähigkeiten bedarf, um in der Welt
zu bestehen. Und dank seiner Beharrlichkeit und seiner geschickten Hände ist er
in der Lage, das Schwert immer besser zu führen.
Beide Protagonisten entwickeln sich im Verlauf der Handlung,
vertiefen Wesenszüge. So werden sie langsam, aber stetig zu echten Freunden.
Diese Entwicklung stellt die Autorin glaubhaft, überzeugend und mit Kunstfertigkeit dar. Dazu tragen im hohen
Maße auch die sorgsam ausgearbeiteten Nebenfiguren bei, zu denen Eila, die
Enkelin des Königs, und Gismo, Ronans Lieblingspferd, gehören. Denn obwohl das
Augenmerk auf der Freundschaft zwischen Ronan und Lima liegt, lässt Jordis Lank
Ronan auch zarte Liebesbande knüpfen, sehr dezent und sorgsam. Das erfreut die geneigte
Leserin.
Die Orte des Geschehens sind überschaubar, doch der Autorin
gelingt es mit ihrer detaillierten und intensiven Beschreibung Bilder beim
Lesen zu erzeugen. Ihr Schreibstil ist klar und lebendig, zudem voller Energie,
beispielsweise bei der Schilderung des Schwertkampfes. Hier punktet die Autorin
mit ihrem Fachwissen, ohne den Leser zu überfordern. Außerdem wird die
Geschichte mit humorvollen Momenten aufgelockert. Wenn beispielsweise ein gestandener Mann ein kleines Ei ausblasen muss, kann ein Schmunzeln nicht vermieden werden.
Was bleibt nach der Lektüre? Vor allen Dankbarkeit. Für
eine wunderbare Geschichte, an deren Ende der Leser froh ist, dass er
miterleben durfte, wie aus zwei Jungen Freunde werden. Fantastisch, aber immer
auch gegenwärtig.