Freitag, 29. September 2023

Die lange Nacht des historischen Romans

Zugegeben eine lange Nacht war es nicht wirklich. Aber wenn sich in der Stadt der sieben Türme um 7:00 Uhr abends sieben Autoren zusammenfinden, um jeweils sieben Minuten aus ihren Werken zu lesen, ist das ein Ereignis, das nicht lang genug sein kann, weil es so viel Freude macht und deshalb die Bezeichnung verdient.


Dies sahen wohl auch die 160 Gäste im ausverkauften Scharbausaal der Stadtbibliothek Lübeck so, die der "Einladung" des Literaturforums Lübeck gefolgt waren, um nicht nur in einem exzellenten und wirklich passenden Ambiente ausgezeichnet unterhalten zu werden, sondern ebenso die Möglichkeit wahrzunehmen, mit sämtlichen Autoren in Kontakt zu kommen und Fragen zu stellen. Natürlich stand auch ein großer Büchertisch bereit, und für die erworbenen Bücher bestand die Gelegenheit, diese sogleich signieren zu lassen.


Hilke Flebbe vom Literaturforum Lübeck war nicht nur für die Eröffnung der "Langen Nacht" verantwortlich. Sie schlug im Verlauf des Abends auch den Gong, der mit lautem Getöse die jeweilige Lesezeit der Autoren beendete. Ihre Mitstreiterin Simone Luers hingegen hatte die Position hinter der Kamera eingenommen. 


Die Fäden für die Anmoderation "ihrer" Autoren hatte Christina Auerswald in der Hand.


Sie ist 1. Vorsitzende des Vereins HOMER Historische Literatur, und sämtliche Lesende sind Mitglieder der Vereinigung. Womit ich sie euch nun endlich auch vorstellen möchte.


Sabine Weiß und Christina Auerswald (für die erkrankte Caren Benedikt)


Sina Beerwald und Udo Weinbörner


Sylvia Lott und Joël Tan


Anna Perbandt


Zu guter Letzt alle auf einen Blick.

Was für ein gelungener Abend. Ich bedanke mich bei allen Beteiligten, es war mir eine Freude, dabei gewesen zu sein.


„Literatur ist, was gelesen wird“

Dienstag, 12. September 2023

Blogger für HOMER 2023 - Das literarische Vermächtnis des Ulf Schiewe: Der eiserne Herzog

 
Spät hat Ulf Schiewe seine Leidenschaft für das Schreiben entdeckt, und trotzdem gehört er zu den Autoren, an die wir denken, wenn wir von historischen Romane sprechen. Es stimmt mich sehr traurig, dass die Schaffensphase so plötzlich durch seinen Tod im März diesen Jahres beendet wurde, und darum freue ich mich, dass ich das letzte veröffentlichte Werk bewerten darf. „Der eiserne Herzog“ steht auf der Shortlist für den Literaturpreis HOMER 2023 und hat gute Chancen, geehrt zu werden.
 
 
 
Dabei ist die von Ulf Schiewe gewählte Thematik auf den ersten Blick gewagt, sind doch die Quellen über die von ihm geschilderten Ereignisse um Wilhelm, den Herzog der Normandie, der als Wilhelm der Eroberer in die Geschichte eingegangen ist, und seinen Kontrahenten Harold Godwinson nicht allein wegen der Ausführungen auf dem berühmten Teppich von Bayeux recht umfangreich und auch wahrheitsgemäß. Wie gelingt es insofern, nicht nur an Hand von historisch korrekten Ereignisse, Fakten und Daten sowie den integrierten Personen den Ablauf des Geschehens darzustellen, sondern auch eine fesselnde Geschichte zu entwerfen, in der die Motivation und die Gefühlswelt der Vergangenheit glaubhaft zum Leser ins Heute transportiert werden?
 
Das Leben des jungen normannischen Herzogs Guilhelm ist geprägt von Kämpfen. Selbst die Frau, die er begehrt und der er in Liebe verbunden sein wird, bedarf einiger Bemühungen. Letztlich wird Matilda von Flandern die Seine und steht treu zu ihm. Auch die Normandie scheint – von einigen Scharmützeln abgesehen – gesichert. An Englaland verschwendet Guilhelm keinen Gedanken, bis der kinderlose König Eadweard ihn zu seinem Nachfolger bestimmt. Ein Affront für die Sachsen. Niemand will einen Normannen auf dem Thron. Vor allem nicht die Familie Godwinson, die im Grunde die Macht im Land in Händen hält.
 
Obwohl Harold Godwinson – zugegeben mit ein wenig Druck von Guilhelm – schwört, den normannischen Herzog zu unterstützen, wird er nach dem Tod des Königs eidbrüchig und zum König gekrönt. Damit kann sich Guilhelm nicht abfinden.
 
In der Schlacht bei Hastings entscheidet sich 1066 nicht nur ihrer beider Schicksal ...


„Der eiserne Herzog“ ist unzweifelhaft ein echter Schiewe, deutlich erkennbar an seinem enthusiastischen und packenden Schreibstil. Hier ist alles auf den Punkt gebracht und ohne überflüssige Floskeln. Nicht nur die Verwendung der gegenwärtigen Zeitform zieht uns als Leser von Anbeginn an ins Geschehen. Es sind ebenso die prägnanten und illustrativen Szenen, die zwischen der Normandie und Englaland wechseln und uns andauernd bannen und die damaligen Ereignisse mit enormer Atmosphäre auf uns wirken lassen. Außerdem wird die Handlung dicht und ohne Längen, voll innerer Kraft erzählt und entbehrt trotz bekannten Verlaufs der Historie nicht der spannungsgeladenen Dramatik in der Entwicklung bis hin zum wuchtigen Schlachtengemälde, das der Autor in höchster Kunst gezeichnet hat.
 
Ulf Schiewe beweist in seinem Werk erneut seine Fertigkeit bei der akribischen und sorgfältigen Recherche und der folgenden Auswertung der Fakten sowie Interpretation mit der eigenen Fantasie, wo es an einer solchen fehlt. Lobenswert ist überdies, dass sich der Autor nicht in maßlosen Beschreibungen der Örtlichkeiten verfängt, gleichwohl sind diese so geschildert, dass sie aich beim Lesen komplett erschließen.
 
Obwohl die Protagonisten im Grunde bekannt sind, erstaunt zum einen die Tiefe, mit der sich Ulf Schiewe ihnen allen gewidmet hat. Mit bemerkenswerter Sicherheit nähert er sich seiner titelgebenden Hauptfigur und stellt sie in den Fokus, ohne dabei die weiteren Persönlichkeiten, die tragende Rollen einnehmen, zu vernachlässigen. Daneben sind die fiktiven Figuren zurückhaltend eingesetzt und agieren ausgezeichnet im Verbund mit ihren historischen Gefährten.
 
Gefallen hat mir, in welcher Art und Weise Ulf Schiewe die Kontrahenten präsentiert. Sowohl Guilhelm als auch Harold offenbaren sich komplexe Persönlichkeiten, die sich in ihren Ansichten und ihrem Bestreben gar nicht so sehr unterscheiden. Sie sind willensstark und konsequent, aber beileibe nicht frei von Widersprüchen.
 
„… Du bist immer so selbstsicher, wirkst so unzerstörbar … Nichts scheint dich umzuwerfen. Kein Wunder, dass man dich den ‚Eisernen Herzog‘ nennt.“, sagt Matilda zur ihrem Ehemann und trifft damit den Nagel auf den Kopf. Indes ist auch sie eine Frau mit Charakterstärken, die Guilhelm an ihr schätzt.
 
Überhaupt nehmen die Frauen beider Männer einen hohen Stellenwert ein. Sowohl Matilda als auch Ealdgyth sind wichtige Stützen ihrer Partner, und die feine Sensibilität des Autors in der Veranschaulichung - auch von emotionalen Momenten - ist grandios und wirkungsstark.
 
Alles in allem ist „Der eiserne Herzog“ ein fulminanter historischer Roman, mit dem Ulf Schiewe sich (ungewollt) ein kleines Denkmal gesetzt hat.
 
 
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Erschienen ist der Roman bei Lübbe Belletristik. Ich danke dem Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares.