New
York 1993/1994. Lucy Adler ist 17, jeweils zur Hälfte Jüdin und
Italienerin, stammt aus einem liebevollen Elternhaus und hat einen
schlauen Kopf, mit dem sie alles hinterfragt. Sie geht auf eine
elitäre Privatschule in Manhattan, spielt mit sehr viel Talent
Basketball. Es gibt nur zwei Probleme. Sie ist ein Mädchen, und sie
ist heimlich in ihren besten Freund Percy verliebt. Mit dem kann sie
zwar über französische Existenzialisten diskutieren, mehr als ihre
Gedanken teilt er allerdings nicht mit ihr.
Percy
selbst bekommt nämlich von Lucys Gefühlen gar nichts mit. Er sieht
gut aus, ist den Mädchen gegenüber sehr aufgeschlossen und wechselt
sie wie Kaugummi, ohne je wirkliche emotionale Bindungen einzugehen.
Percy bewegt sich mit Leichtigkeit durch die Welt, hat ein echtes
Problem mit Autoritäten, nutzt jedoch die ihm als Sohn reicher
Eltern gegebenen Freiheiten aus und versucht gleichzeitig, sich deren Einfluss zu
entziehen. Im Grunde bleibt ihm aber wegen seiner schlechten schulischen
Leistungen nichts anderes übrig, sich dem
Willen und den Konventionen zu beugen, weil er ohne Hilfe keine
Möglichkeit hat, auf einer Elite-Universität angenommen zu werden. Etwas, das für Lucy keine Mühe darstellt...
Dana
Czapnik wurde in New York geboren und ist begeistert von ihrer
Heimatstadt. Das wird in ihrem Debütroman „Ich werde fliegen“ in
einer sehr intensiven Art und Weise
durch umfangreiche und atmosphärisch
dichte Beschreibungen deutlich. Die
Detailverliebtheit ist für indes für Außenstehende, die New York nicht kennen, in ihrer
Üppigkeit das eine oder andere Mal zu viel.
Ansonsten
fällt die Autorin mit einem lebhaften Schreibstil auf, der
aufrichtig und authentisch klingt und mit jugendlicher Energie
angereichert ist. Leider zeigt sich hierbei ebenfalls ein Hang zur
Ausschweifung, der das Lesen ab und an anstrengend macht.
Dana
Czapnik hat sich hervorragend in das Seelenleben ihrer Protagonistin
hineinversetzt, wenn
diese aus
ihrer Sicht über
ihre Stadt, ihre Generation, die Klassenunterschiede in der
Gesellschaft, ihre Zukunft und
Träume,
ja auch über ihr Liebesleben und die Stellung der Frauen nachdenkt.
Lucy
ist kein
Mädchen von der Stange. Sie ist
keine Schönheitskönigin, eher eine Außenseiterin, die
sie ab und an danach sehnt,
einem bestimmten Ideal zu entsprechen.
„Nietzsche
sagt, dass Schönheit dann am edelsten ist, wenn sie allmählich in
das Herz und den Verstand einsickert.
Er nennt es den langsamen
Pfeil der Schönheit.
Die Art von Schönheit, die man zuerst vielleicht gar nicht
wahrnimmt, die uns dann aber nicht mehr loslässt. Was für eine
wunderbare Vorstellung. Ich wünschte,
ich könnte daran glauben.“ (Seite
108 f.)
Dabei
hat
Lucy
das
mit
ihrer
aufgeweckten
und erfrischenden
Art, Dinge anzugehen, gar
nicht nötig.
In ihr verknüpfen sich Natürlichkeit
mit Intelligenz und
Nachdenklichkeit
mit
Verletzlichkeit, treffen
Selbstbewusstsein auf Unsicherheit und Zynismus auf
Weisheit.
Bei
einem Blick in die Tiefen ihrer Seele entpuppt sich eine
vielschichtige Persönlichkeit, die in sich die Tochter, Freundin,
Basketballspielerin und das Mädchen mit Liebeskummer trägt, aber
nicht zu denen gehört, die sich von ihrem Schmerz über
unerwiderte Liebe
brechen lassen.
Denn
das Leben hält noch viel für sie bereit. Lucy
wird ihre Flügel ausbreiten und fliegen…
3,5
Sterne