Wollt
ihr mal was Abgefahrenes hören?
„96
Prozent von dem ganzen Zeug im Universum ist dunkles, unerklärliches
Irgendwas.“
Ist
euch egal? Aber was sagt ihr, wenn von diesem dunklen, unerklärlichen Irgendwas
irgendwas in einem gigantischen, zylindrischen Raumschiff kurz in Iowa aufsetzt, dann zweihundertfünfzig
Meilen nördlich von Minnesota entlangschlittert und nebenbei 18.000 Menschen
tötet?
Nichts sagt ihr da. Doch das ist noch nicht alles...
Hi,
ich bin übrigens Alice Goodwin, 17 Jahre alt und zur Hälfte eine Navajo. Von
meiner Mum habe ich die dunkle Hautfarbe und das schwarze Haar geerbt. Leider
ist sie gestorben, als ich acht war. Es ist traurig, aber wahr: Hätte sie weniger geraucht, wäre sie
bestimmt noch am Leben. So habe ich nur noch meinen Dad, der bei der NASA
arbeitet. Sein Job ist der eigentliche Grund, warum ich hier in Minnesota gelandet
bin. Genauso wie dieses Raumschiff mit Aliens. Denn mein Vater soll das Schiff
untersuchen, und deshalb musste ich das sonnige und vor allem warme Florida
gegen Wind und Kälte im mittleren Westen eintauschen.
Ihr könnt euch sicher
vorstellen, dass sich meine Begeisterung in Grenzen hält. Auch wenn ich meinen
Vater liebe, finde ich es ätzend, dass er mich ins Internat dieser – zugegeben
exklusiven, wenn auch sehr „weißen“ – Minnetonka-Schule für Begabte und
Talentierte steckt, weil er vierzwanzig Stunden am Tag arbeiten wird. Dabei
wäre ich gut allein klargekommen, mit Bluebell, meinem
BMW 550i Gran Turismo, meiner Kreditkarte und einem Lieferservive mit
chinesischem Essen irgendwo in Minnesota.
Ehrlich,
ganz so schlimm ist es hier nicht. Rachel und Brynne, meine Mitbewohnerinnen sind
nicht nur sehr nett, sondern außerdem sehr begabt und sehr talentiert, die eine in
Mathematik, die andere in Naturwissenschaften. Und gibt es da noch Kurt, was so deutsch
klingt wie mein Bluebell. Tatsächlich ist er ein in Amerika aufgewachsener Inder und legt ziemlich viel
Wert auf Respekt, Anstand und Würde, wenn man schon das Glück hat, reich zu
sein. Ungewöhnlich, aber irgendwie amüsant.
Zurück
zu den Aliens: Ihr könnt euch sicher denken, was hier nach der Landung los ist.
Auch wegen der getöteten Menschen. Und dann erst seitdem sich das Schiff geöffnet
und einen Blick auf die Aliens freigegeben hat, die erstaunlicherweise wie wir
Menschen aussehen, nur mit sehr, sehr blasser Haut und einer Sprache, die wir
nur mit Hilfe von Übersetzungscomputern verstehen. Sie nennen sich Guides und sagen, dass sie in Frieden und als Lehrer kommen. Ob wir ihnen glauben können?
Und noch ein weiterer aufregender Fakt: Zwei von ihnen sind jetzt bei uns in der Schule untergebracht - Suski und Coya, Bruder und Schwester, und wenn man es so sehen will, sind sie so etwas wie die königliche Familie der Aliens.
Ich will nicht vergessen zu erwähnen, dass meine Freunde und ich das Raumschiff auf Wunsch meines Vaters betreten haben. Die Erinnerung daran ist verstörend. Weil irgendwas nicht stimmt. Plötzlich sind weitere Raumschiffe da, und sie schießen und
jagen unsere neuen Freunde und damit uns. Wir müssen fliehen, nichts ist mehr einfach, nichts
ist mehr dasselbe, und nirgends sind wir sicher. Unser Abenteuer beginnt...
Robison
Wells erzählt eine Geschichte, die nicht nur aktionsgeladen, mythisch und rätselhaft daherkommt, manchmal erschreckend und trotzdem mit einer beschwingten Note ausgestattet ist, sondern vor allem mit dem erfrischend
modernen Witz seiner Erzählerin Alice Goodwin punktet.
Alice
ist eine auffallende Persönlichkeit und erscheint auf den ersten Blick
sehr von sich überzeugt, weil sie viel Wert auf Statussymbole wie ihren BMW legt. Zudem
ist sie darauf bedacht, was
andere von ihr halten. Sie verfügt allerdings über einen Sarkasmus, der
ungewöhnlich für
eine 17-Jährige ist. Gerade diese ironischen Anmerkungen sorgen bei
den jungen Guides Suski und Coya für Unverständnis und damit für einige
komische Momente.
Der Autor gönnt seiner Heldin außerdem eine kleine Romanze, die wohltuend dezent und sanft in den Ablauf
eingebettet wird und dadurch an Glaubwürdigkeit gewinnt.
Insgesamt muss die Darstellung der jugendlichen Protagonisten als gelungen angesehen werden. Darüber hinaus geht es nicht nur um die Frage „Was wollen die Aliens?“,
sondern die Außerirdischen erhalten einen
Hintergrund und eine Geschichte. Mit
Suski und Coya bekommen die Aliens sogar Gesichter und Stimmen und eröffnen dem
Leser hiermit Verständnis für die Guides. Lediglich bei der Zeichnung der
wirklichen Gegenseite greift der Autor auf Steriotypen zurück.
Als ein weiteres (kleines) Manko des Romans stellt sich das Ende dar. Während Robison Wells die Handlung
langsam aufbaut und mit geschickten Zwischenspielen den Leser bei der Stange hält, nimmt
das Geschehen ordentlich Fahrt auf und steuert rasant auf den Höhepunkt zu.
Auf diese Weise wirkt es allerdings sehr gehetzt. Ein paar Seiten mehr zum wichtigen Aspekt der Mythologie der Anasazi bzw. ancestral puebloans und damit der
Kultur der First Nation hätten zu einem befriedigenderen Leseerlebnis
beigetragen.
So bleibt es bei einem gut konstruierten Science-Fiction-Abenteuer, in der jugendliche Helden mit Charakter agieren und sich Aktion, witzige und nachdenkenswerte Dialoge sowie ein Hauch von Romatik die Waage halten. Eine Empfehlung auch für Leser, die sonst keine Fans von Science Fiction sind.
Erschienen ist das Buch bei HarperCollins. Ich danke dem Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares.