Die
Porzellanmanufaktur der Familie Thalmeyer im oberfränkischen Selb hat
eine lange Tradition. Zwei Jahre nach dem zweiten Weltkrieg ist
es jedoch nicht einfach, die Produktion am Laufen zu halten, fehlt es hauptsächlich am dafür notwendigen Rohstoff Kaolin, zumal ein
Konkurrenzkampf um die Reserven mit dem mächtigen Papierfabrikanten
Karl Metsch besteht.
Als
Patriarch Ludwig Thalmeyer überraschend stirbt und es vom seit Ende
1944 in Russland verschollenen Sohnes Joachim keine Nachricht gibt,
liegt es an Marie, der ältesten Tochter, die Geschicke der Fabrik in
die Hand zu nehmen. Kein leichtes Unterfangen. Die Zeiten sind nach
wie vor unruhig. Und als junge Frau scheint sie sich auf „verlorenem
Posten“ zu bewegen. Denn die Männer haben das Sagen. Außerdem
brauchen die Menschen andere Dinge als feines Porzellan.
Doch
trägt Marie nicht allein Verantwortung für die Fabrik und die Arbeiter
und deren Familien, sondern sie muss auch für die bei ihnen
einquartierten Flüchtlinge sorgen.
Marie,
wegen ihrer hellen makellosen Haut „Porzellankind“ genannt, hat
sich schon immer mehr für die Manufaktur interessiert als ihr –
für die Nachfolge vorgesehener – musikalischer Bruder. Darum stellt sie sich mit Ernsthaftigkeit der Herausforderung, den damit verbundenen Aufgaben und neuen
Verpflichtungen. Hilfe erhält sie einerseits von ihrer
vier Jahre jüngeren Schwester Sophie, die aber zugleich das neue
Leben in vollen Zügen genießen möchte, und andererseits von der
amerikanischen Besatzungsmacht. Es ist besonders
Militärgouverneur John McNarney, auf dessen Unterstützung sie
zählen kann. Und nicht nur das …
Mit
„Zerbrechlicher Frieden“ startet die Reihe „Die
Porzellanmanufaktur“ von Stefan Maiwald, in deren Mittelpunkt mit
Marie und ihrer Schwester Sophie zwei Frauen stehen, die sich in
einer von den Männern regierten Welt behaupten und trotz aller
widrigen Umstände und Niederlagen versuchen, ihren Traum von einem
eigenständigen Leben zu verwirklichen.
Das
ist mit einiger Mühsal verbunden. Deutschland und seine Menschen
erholen sich nur langsam von den Folgen des Zweiten Weltkrieges und
setzen alles daran, den Verlust von Angehörigen zu verarbeiten und den
Wiederaufbau des Landes voranzutreiben. Obwohl seit Mitte 1947 die
Versorgungslage in den von den besetzten Zonen spürbar besser wird,
ist der Mangel allgegenwärtig und Schwarzmarktgeschäfte blühen. Daneben
gibt es immer noch jene, die ihr eigenes Fortkommen im Sinn haben
und sich selbst am nächsten sind.
Dem Autor gelingt sprachlich
klar und verständlich unter Einbindung historischer Informationen
und Ereignisse eine authentische Darstellung, die vor allem von
Schilderung des Alltags mit den Problemen profitiert. Unbedingt muss
in dem Zusammenhang die Schneiderei von Frau Helgard hervorgehoben
werden, in der der Dorfklatsch immer neue Nahrung erhält. Das ist
mit einem Augenzwinkern erzählt und nimmt der herrschenden Situation
mit etwas Humor die Schwere.
Stefan
Maiwald macht deutlich, dass in manchen Köpfen der Krieg noch nicht
vorbei ist. was sich in Aggressionen und Vorurteilen gegen
Flüchtlinge äußert, obwohl diese vielfach die fehlenden
Arbeitskräfte in der Landwirtschaft ersetzen.
Hinsichtlich
seiner Figuren ist es dem Autor geglückt, sie vielfältig zu
charakterisieren und die Beziehungen zueinander aufzuschlüsseln.
Einige Positionen von Gut und Bösen sind sehr offensichtlich
verteilt, wobei gerade die „Feinde“ deutliche Strukturen
erfahren, wenn sie geblendet von Hierarchie, Ideologie und
Machtgelüsten moralisch verdorben agieren oder Intrigen spinnen.
Wiederum befinden sich andere Personen in Grauzonen und machen einen
gewissen Reiz in der Geschichte aus.
Während
des Verlaufs der Handlung wechseln die Schauplätze, und Stefan
Maiwald gewährt Rückblicke in die facettenreiche Vergangenheit
einzelner Figuren. So erhalten wir Einsicht in ihre Motivationen und
Gefühle und werden in Entwicklungen eingebunden.
Es sei allerdings auch angemerkt, dass im
gegenwärtigen Geschehen das eine oder andere Mal
intensive Emotionen im Bereich der zwischenmenschlichen Beziehungen
herausgefiltert werden müssen.
Insgesamt ist „Zerbrechlicher
Frieden“ ein gelungener und unterhaltender Auftakt einer
Trilogie, bei der der nächste Band mit Freude zur weiteren Lektüre
erwartet werden kann.
*Werbung*
Der Roman ist im Maximum Verlag erschienen, dem ich für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares danke.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Nutzer der Kommentarfunktion erklären sich mit der Speicherung und Verarbeitung ihrer Daten durch diese Webseite einverstanden.