Am heutigen internationalen Frauentag kehren wir nochmals literarisch in die ersten Nachkriegsjahre zurück ...
1948
leiden die Deutschen nach wie vor
unter den drastischen Folgen, die
ihr Weltkrieg über die Menschen gebracht hat. Die Entnazifizierung
durch die Alliierten ist noch nicht abgeschlossen und erweist sich
bereits jetzt als lückenhaft und inkonsequent. Ehemalige NS-Diener
drängen zurück auf ihre alten Posten.
Damit
muss sich auch Kriminalinspektor Carl Bruns auseinandersetzen, der
wegen eines jüdischen Großvaters und des verbundenen
(fehlenden) Arier-Nachweises
für elf Jahre aus dem Polizeidienst entlassen worden war,
stattdessen als Bergmann gearbeitet hat und erst nach Kriegsende
wieder eingestellt wurde. In der Essener Polizeibehörde steht er
tatsächlich eines Tages seinem ehemaligen Ausbilder gegenüber, der
sich rehabilitieren möchte.
Doch nicht nur das beschäftigt Carl.
Er
wird zu einem Tatort gerufen, dessen Opfer ihn mit der Vergangenheit
verbindet. Bei der
Toten handelt es sich
um die Mutter eines gesuchten Naziverbrechers, der für eine
Massenerschießung von Zwangsarbeitern verantwortlich zeichnet und sich
auf der Flucht befindet. Außerdem
ist der gesuchte Hoffmann mit
Frieda, der Schwester von Carl
erster
großer
Liebe Anna verheiratet. Die Frauen
waren einst aus Angst vor den
Grausamkeiten und Peinigungen des Mannes nach Köln geflohen. Nachdem das Testament der Toten ihren
Enkel Emil als Haupterben bedenkt, kehrt
die Familie nach Essen zurück.
Carl
bezieht besonders Anna in die Ermittlungen mit ein. Zugleich flammen
„alte“ Gefühle auf. Die
verwitwete Krankenschwester
scheint diese zu erwidern, so dass sowohl Carl als auch Anna Hoffnung
schöpfen, dass ihnen nach all den Jahren etwas Glück zuteil werden
wird. Wären da nicht weitere Tote und die Tatsache, dass sowohl
Spuren zu den im Haus von Frau Hoffmann einquartierten
Flüchtlingen und Ausgebombten sowie zu Frieda führen. Allesamt sind durchweg nicht
gut
auf die Ermordete zu sprechen und verhehlen ihre Abneigung nicht.
Wäre das nicht bereits
schlimm genug, könnte Anna selbst in Gefahr sein ...
Eva
Völler schreibt ohne Schnörkel und mit Intensität. Sie ist klar im
Ausdruck der Schilderung der Verhältnisse und misslichen Lage
in diesem Nachkriegsjahr und integriert in ihrem Roman „Helle Tage,
dunkle Schuld“ gekonnt einen Kriminalfall mit dramatischen
Handlungsablauf. In deutlicher Bildsprache beschreibt die Autorin
eine Stadt, in der ganze Teile von Bomben zerstört wurden, so dass
drei Jahre noch nicht genug Zeit waren, alle Trümmer und die
gewaltige Menge des gesamten Schutts zu beseitigen. Aus diesem Grund sind die
vorherrschenden Wohnsituationen mehr als beengt.
Deshalb
leben die Bewohner des Mehrparteienhauses der toten Frau
Hoffmann dicht an dicht zusammen, sie eint das jeweilige
unterschiedliche Schicksal, jedoch auch die Antipathie gegenüber der
Hausbesitzerin.
Die
Deutschen befinden an einem Wendepunkt. Nach langen Jahren im Banne der
Nazi-Herrschaft müssen sie erkennen, dass ihre Nation eine von Eva
Völler betitelte „dunkle Schuld“ zu tragen und aufzuarbeiten hat, die für
die meisten Menschen zwar unbegreiflich, hingegen unerlässlich im Verständnis ist, damit ein Wiederaufstehen möglich wird.
Es
sind nicht ausschließlich die Vorgänge im
Privaten, sondern daneben
die gegenwärtigen
politischen Gegebenheiten,
beispielsweise in den Behörden wie der Polizei, die
die Bemühungen erschweren,
den Aufbau einer gerechten Gesellschaft voranzutreiben.
Noch immer und bereits wieder
gibt es all jene, die auf der
Suche nach dem eigenen Vorteil sind und
aus der Vergangenheit nichts gelernt haben und dies auch nicht
wollen.
Hierdurch
wirkt das Geschehen authentisch, in jeder Hinsicht nachvollziehbar
und hat
mir eine
enge Teilhabe am Geschehen gestattet.
Eva
Völler scheut sich nicht, Grautöne zu verwenden. Ihre Protagonisten
sind nicht nur schwarz oder weiß gezeichnet. Sensibel beleuchtet die Autorin
das Zusammensein der Menschen, die auf unterschiedliche Arten
miteinander verbunden sind: Liebe, Freundschaft und
Mitgefühl
stehen
Wut,
Ablehnung
und
Hass gegenüber.
Carl
wagt viel für seine erste Liebe Anna. Darüber hinaus muss er abwägen, wie er Wahrheit und Lüge voneinander abgrenzt, und
vor allem, ob er das überhaupt will.
Anna
stellt ihr Kraft völlig in den Dienst der Familie, zu der außer
Frieda und Emil noch die jüngere Schwester Lotti gehört, und
versucht, diese mit aller Macht zu schützen. Dabei trägt sie selbst
schwer an vergangenen Ereignissen, geht
indes mit ihrem Kummer nicht hausieren.
Die
echten Probleme
behält sie für sich, sie funktioniert
und will niemand
anderen
belasten.
Vorsichtig,
aber stetig
entwickeln Anna
und Carl
Empfindungen (neu),
das selten gewordene Gefühl von Zusammengehörigkeit,
so dass Sorgen
und Ängste nebensächlich erscheinen
– eine in
meinen Augen sehr
glaubwürdige Darstellung.
Eva
Völler verdeutlicht, wie wichtig es ist, „aus der Vergangenheit
zu lernen und es dann besser zu machen.“ Ihr Roman „Helle Tage,
dunkle Schuld" ist ein hervorragendes Beispiel dafür.
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Der Roman ist bei Droemer Knaur erschienen, ich danke dem Verlag für die Bereitstellung und Julia Meyn für die Vermittlung des Rezensionsexemplares.
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