Mittwoch, 8. April 2015

Der Club der Traumtänzer oder Die Wandlung eines Egozentrikers

Von einen Leben, das Gabor Schoening führt, könnte man wohl träumen. Gabor, gutaussehend, unbeschwert und rational denkend ist fokussiert auf seinen Job als Unternehmensberater und in diesem äußerst erfolgreich. Alles läuft wie am Schnürchen. Alles ist elegant. In seinem luxuriösen Penthouse gibt es keinen Platz für eine feste Beziehung oder gar eine Familie. Lediglich ein riesengroßer goldeingerahmter Barockspiegel und die Nachbarin sehen zu, wenn Gabor sich allmorgendlich mit seinem Badabing! Badabum! für den Tag in Schwung bringt.

Auf dem Höhepunkt seiner Karriere, die er konsequent und ohne Rücksichtnahme durchgezogen hat, so dass er nunmehr kurz davor steht, Partner bei Clausen & Wenningmeier zu werden, erlaubt er sich einen Fehler, biegt einmal falsch ab, seine Affäre, pikanterweise die Frau seines Chefs auf dem Beifahrersitz, und schon steckt sein Leben im Schleudergang. Er wird herausgestoßen aus seiner Welt und scheint mehr und mehr die Kontrolle über sein Leben zu verlieren. Denn die Person, die er anfährt und verletzt, entpuppt sich nicht als so leicht händelbar wie es Gabor bislang von den ihn umgebenden Menschen gewohnt ist. Kathrin, die harmlos wirkende, esoterisch angehauchte, aber knallharte Direktorin einer Förderschule, zwingt Gabor mit subtiler Motivation, sich bereit zu erklären, zur Abarbeitung seiner Schuld eine Tanzgruppe zu leiten.

Als die fünf potentiellen Tanzschüler dann "mitten im Nirgendwo" vor ihm stehen, hält sich die Begeisterung auf beiden Seiten in Grenzen. Gabor mit seinen unzähligen Terminen und Besprechungen ist noch komplett auf Abwehr eingerichtet und daher äußerst widerstrebend, seine Zeit für etwas zu opfern, das in seinen Augen keinerlei Nutzen haben wird. Auch die Kids sehen größtenteils keinen richtigen Sinn darin, warum sie sich mit Gabor treffen. Sie - der nie zur Ruhe kommende Vinnie, die schweigsame und in sich gekehrte Lisa, der rüpelhafte Marvin, die nicht gerade schlanke Jennifer und der unauffällige Felix - haben kein Interesse an lateinamerikanischen Rhythmen, sondern wollen - wenn es denn schon etwas sein muss - eher Hip-Hop, Breakdance, Capoeira (Kampftanz) oder wie Beyonce tanzen. Schon bei der ersten Begegnung wird deutlich, dass sie im Grunde andere Sorgen plagen, weswegen sie mit sich und der Umwelt nicht gerade gut zurechtkommen. 

Nach und nach offenbaren sich am Beispiel eines Tages aus ihrem Leben die persönlichen Schicksale der Kinder. Und je mehr Zeit Gabor mit ihnen verbringt, und das nicht nur, weil Kathrin ihm unmissverständlich klar macht, dass ansonsten seine Karriere "im Eimer" ist, je mehr rühren sie an sein Herz, an den Muskel, der bislang nur Blut durch die Adern zu pumpen hatte. Er beginnt, für sie Partei zu ergreifen, sich für sie einzusetzen, auch wenn er das eine oder andere Mal mit fragwürdigen pädagogischen Maßnahmen über das Ziel hinausschießt. Doch das ist verzeihlich, denn im Grunde geht es nicht darum, das, was vorher im Leben der Kinder schief gelaufen ist, mit ein paar schnellen Handgriffen zu reparieren, weil die Vergangenheit nicht veränderbar ist, sondern vielmehr darum, sie zu inspirieren, ihnen die Vision einer selbstbestimmten Zukunft zu verdeutlichen und klar zu machen, dass niemand zu dumm ist, etwas Außergewöhnliches zu schaffen, wenn er es nur will und versucht.

Erscheint Gabor zu Beginn noch sehr auf sich bezogen, wenngleich nicht völlig unsympathisch, und wirkt überheblich, weil er sich keine Unzulänglichkeiten erlaubt, wird im Verlauf der Handlung seine harte Schale geknackt, und hervor kommt der weiche Kern. Zudem zeigt sich dabei, dass Gabor ebenfalls ein Mensch mit Schwächen ist, der sein eigenes Päckchen mit sich herumschleppt, die Schatten seiner Vergangenheit verdrängt und vergessen hat. Auch wenn das Ergebnis vorhergesehen werden kann, ist es doch mitreißend, unterhaltsam und faszinierend, diese Wandlung zu beobachten und daran teilzuhaben, wie Gabor den eigenen Ballast abwirft und mit vorwärtsschreitendem Engagement an Größe gewinnt, die ihn zu einem Vorbild für "seine Kids" werden lässt.

Der Club der Traumtänzer - Andreas Izquierdo

Langsam und damit glaubhaft entwickelt sich die bis in die Nebenfiguren hervorragend ausgearbeitete Geschichte, die leichtfüßig in einem lockeren und humorvollen Stil beginnt, zu einer mit Tiefgang, die ernste Themen sensibel aufbereitet in den Mittelpunkt rückt. Es ist eine Geschichte, die den Lesen emotional betroffen macht, zum Nachdenken bringt, zu Tränen rührt und manchmal den Atem nimmt, die ihm aber ebenso ein Lächeln aufs Gesicht zaubert. Gekonnt und mit viel Liebe, ohne dabei aufgesetzt zu wirken, erzählt Andreas Izquierdo von freudigen und traurigen Momenten, die das Leben bereithalten kann.

6 Kommentare:

  1. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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    1. Liebe Anke,

      ich hatte mich vertippt.
      Das ist ein guter Einblick in das Buch.

      Sonnige Grüße
      Elisabeth

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