„Durch alle Zeiten“ ist Helga Hammers erster Roman. Für ihr Debüt hat sie sich viel Zeit gelassen, denn mit 77 Jahren ist sie keine jugendliche Autorin. Genau wie ihre Protagonistin Elisabeth wurde sie 1940 geboren. Doch ihr Leben unterscheidet sich von dem ihrer Heldin.
Elisabeth kommt aus einem österreichischen Alpendorf. Nach einer Kindheit in Armut, gelingt es der hübschen Elisabeth, ihr Elternhaus zu verlassen und zur Haushaltsschule zu gehen. Mit 17 verliebt sie sich in Niklas, der aus gutem Haus stammt und ihr ein besseres Leben bieten könnte. Indes bleibt sie nur ein Abenteuer für ihn. (Jahre später werden die beiden sich wiedersehen und dann nicht mehr voneinander loskommen.)
Nach dem Desaster mit Niklas packt Elisabeth der Ehrgeiz, dem Leben nun alles abzuverlangen, was es ihr bietet. Sie geht als Kindermädchen nach London, beginnt ein Verhältnis mit Ariel, ihrem Arbeitgeber, und ist schwanger, als sie nach dem Tod ihrer Mutter nach Österreich zurückkehrt.
Die Umstände zwingen sie, die nicht als uneheliche Mutter gebrandmarkt werden will, sich auf die Suche nach einem Vater für das ungeborene Kind zu begeben. Martin, ein Nachtwächter in der Lodenfabrik ihrer Tante, glaubt, mit Elisabeth nun endlich eine liebende Frau gefunden zu haben, hingegen ist er nur Mittel zum Zweck. Und die Idylle, die sie sich beide ersehnen, stellt sich nicht ein. Das Dasein bleibt hart und armselig...
Nach einigen Jahren verliebt Elisabeth sich in Richard, ihren Cousin, und wieder wird sie schwanger. Es folgt erneut eine Trennung, nachdem Martin erschütternd erfahren muss, dass er weder der Vater von Franz noch der des zweiten Kindes ist. Als Geschiedene mit nunmehr zwei Kindern bleibt Elisabeth nur ein Ausweg: Sie heiratet den vermögenden Bauern Josef. Erst nach der Hochzeit offenbart sich Josefs wahrer Charakter – er ist ein Säufer und schlägt seine Frau.
Ist das das Glück, das Elisabeth sich erträumt hat?
Helga Hammer erzählt in zwei sich abwechselnden zeitlichen Handlungssträngen. Der erste setzt mit der Geburt des dritten Kindes ein und wird bis zur Gegenwart fortgeführt, während der andere die Kindheit und folgenden Jahre beleuchtet.
In dichter, klarer und unsentimentaler Sprache, die fast ein wenig antiquiert anmutet, schildert die Autorin ein Leben auf dem Land, das aus heutiger Sicht so fremd erscheint, dass die Situation, in der sich Elisabeth befindet, gerade für junge Menschen nicht oder schwer verständlich ist. Eine Frau mit wechselnden Partnern passt nicht in das Bild, zumindest nicht in dem damaligen Zeitrahmen. In der modernen Welt gehören sich auflösende Beziehungen fast schon zum guten Ton und bleiben mehr oder weniger unbeachtet. Allerdings nicht in den Fünfigerjahren. Dabei basieren Elisabeths Erlebnisse auf der Biografie einer Freundin, sind aber in weiten Teilen fiktiv.
Elisabeths Geschichte berührt durchaus, obwohl die junge Frau nicht unbedingt immer mit Sympathie punktet. Sie ist in eine Welt hineingeboren, die von harter Arbeit und gesellschaftlichen Zwängen geprägt ist, und muss sich in diesem Umfeld durchsetzen, um dem Leben etwas Glück abzutrotzen. In wenigen seltenen Momenten ist dies von Erfolg gekrönt. Und obwohl Elisabeth für vieles selbst Ursachen gesetzt hat, verlernt sie „Durch alle Zeiten“ nicht das Träumen und die Hoffnung, eines Tages wahrhaft glücklich zu sein. Das imponiert, wenngleich ihre manchmal doch auch rücksichtslose Art erschüttert. Elisabeth lebt mit ungezügelter Leidenschaft und unverhältnismäßig: drei Kinder von drei verschiedenen Männern, die auch charakterlich sehr unterschiedlich sind.
Insgesamt geht Helga Hammer sehr respektvoll mit ihrer Protagonistin um, sie nimmt sie so, wie sie ist, ohne etwas zu beschönigen oder zu verschleiern. Sie macht deutlich, dass das Leben kein Wunschkonzert ist und dass es für einen ungetrübten und wertfreien Blick einer gewissen Lebenserfahrung bedarf.
Liebe Anke,
AntwortenLöschenherzlichen Dank für deine interessante Rezension.
Liebe Grüße
Elisabeth