„Toni Morales und die Töchter des
Zorns“ von Elena Bellmar ist ein solider Kriminalroman,
der sich auf Grund seiner angenehmen Erzählweise sehr
gut lesen lässt. Vordergründig beschäftigt er
natürlich mit den Todesfällen, zudem spricht
er allerdings auch einen erschreckenden Abschnitt der
spanischen Vergangenheit an. Diesbezüglich gelingt
es der Autorin ausgezeichnet, reale Fakten in ein fiktives
Geschehen einzubinden. Mit Fingerspitzengefühl und
Anteilnahme greift sie den furchtbaren, von der
katholischen Kirche gedeckten und betriebenen Kindesraub in den
Jahren von 1939 bis 1975 und sogar bis 2001 auf und bewegt
damit nicht nur die Gemüter ihrer Protagonisten. Der
vorgenommenen Wertung kann auf jeden Fall gefolgt werden, denn etwas
anderes als Ablehnung der dargestellten Praktiken und abstrusen
Ereignisse während der Franco-Diktatur kann es in diesem Fall
auch nicht geben. So entsteht Verständnis, wenn Betroffene
illegale Wege beschreiten, um die Geheimnisse ihrer Existenz
aufklären zu können.
Weiterhin beschreibt die
auf Mallorca lebende Autorin einige Details der
kontrastreichen Gegenden der Insel: Raue
Berglandschaft im ungewohnten Kontrast zur flachen
Ebene, die atemberaubende Bilder und Blicke in die Täler bieten. Andererseits hätte es im
Verlauf der Handlung durchaus noch ein
wenig mehr von diesem Flair sein können.
Die Figuren sind indes vielfältig,
besitzen Individualität und unterschiedliche Charaktereigenschaften,
die insbesondere in Tonis neuem Team bislang lediglich vereinzelt
in den Mittelpunkt gerückt werden.
Antonio Morales selbst präsentiert sich
als sympathische, zugängliche Persönlichkeit. Er möchte wirklich
ein ansprechbarer Vorgesetzter sein, zu dem seine Mitarbeiter bei
Problemen kommen können. Für ihn zählen Leistungen und der
Zusammenhalt im Team. Darauf legt er auch bei den neuen Kollegen,
Catarina Pérez, seine rechte Hand, den manchmal etwas übereifrigen
David Zapatero, den werdenden Vater Pedro Sanchez, den ältesten
Bruno Martín sowie den jüngsten Manuel Sastre, Wert.
Imponiergehabe und der Rang eines Beamten
sind ihm gleichgültig. Als Chef hält Toni zwar nichts von der
klassischen Rollenverteilung, achtet jedoch trotzdem darauf, dass
Hierarchien zumindest zur Erhaltung der Autorität gewahrt werden,
zumal außerhalb der eigenen vier Wände. Gleichberechtigtes
Verhalten ist (leider) vom spanischen Machismo nicht gern gesehen
wird, so würde die Achtung darunter leiden.
Erfreulich ist Tonis Bemühen um seine
Ehefrau und ihr Wohlwollen. Sie begegnen sich auf Augenhöhe. Er
liebt sie und ihre kleinen Wortgefechte. Und weil er mehr Zeit mit
ihr verbringen und seine Ehe trotz ihrer Großzügigkeit und
Nachsicht nicht dem Polizeidienst opfern will, hat er seine stressige
Tätigkeit bei Europol in Madrid und Deutschland aufgegeben und
Melanie überredet, nach Mallorca zu ziehen.
Mit auf die Baleareninsel ausgewandert
ist Schwiegermutter Adelheid, eine Hippiebraut der
Siebzigerjahre, die ab und an heimlich Gras raucht und auch sonst
nicht auf den Kopf gefallen ist. Vielleicht ein wenig schrullig, hält
sie sich nicht immer an die Regeln oder befolgt gar stur die Gesetze. Und
dann knallt es gewaltig. Aber Toni schätzt ihre eigenwillige Art
insgeheim, und Adelheid ist mit ihrem klugen Kopf und ihrer Empathie
eine Bereicherung der Geschichte.
Nicht nur aus diesem Grund steht einer
baldigen Reise nach Mallorca nichts im Wege. Denn immerhin will Toni Morales noch den Mord an seinem Bruder aufklären...
Der
Roman ist bei Pendo
im Piper Verlag erschienen. Ich danke der Autorin für die
Bereitstellung des Rezensionsexemplares im Zuge der Vorbereitung.
It seems to be a very interesting book.
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