Eigentlich
macht es Kirby Matthews nicht aus, dass die meisten ihrer Freundinnen
verheiratet oder zumindest verlobt sind und sie mit fast dreißig
noch keinen Ring am Finger trägt. Sie nimmt es locker und mag ihre
Freiheit. Schließlich will sie nicht eine dieser bemitleidenswerten,
unverheirateten Frauen sein, die bei einer Hochzeit in der ersten Reihe stehen und
enthusiastisch den Brautstrauß fangen – immer in der Hoffnung,
dass sie als Nächstes an der Reihe sind. Eine entwürdigende Vorstellung. Aber dann stellt ihr Freund Ted Foster auf einer solchen
Hochzeit die Fragen aller Fragen. Und Kirby sagt sofort Ja.
Ein kleines Problem gibt es jedoch hinsichtlich der Vorbereitungen:
Kirby wohnt in Jersey City, ihr Verlobter lebt im Silicon Valley in
Kalifornien. Die beiden lernten sich nämlich online kennen und
verbringen derzeit noch wenig Zeit miteinander, weil sie eine
Fernbeziehung führen. Die junge Frau stürzt sich trotzdem mit Elan in die
Planung ihrer Hochzeit und soll sich auf Bitten von Teds bestem
Freund, dem Trauzeugen, unterstützen lassen.
Leider
hat Ted vergessen zu erwähnen, dass John Yang im Rollstuhl
sitzt und auf Grund dessen der Kontakt in den vergangenen Jahren eher sporadisch gewesen
ist. Und tatsächlich, zunächst benimmt sich John wirklich unmöglich
und benutzt seine Behinderung, um zu beweisen, dass er die Menschen
in seiner Umgebung auf Distanz zu halten trachtet. Doch nach und nach
lernt Kirby einen Menschen kennen, mit dem sie mehr Gemeinsamkeiten
verbindet als mit ihrem zukünftigen Ehemann.
Was
also tun, wenn sich der „beste Mann“ als Seelengefährte entpuppt
und die eigene Hochzeit in Frage stellt?
Annabelle
Costas „Der Trauzeuge. Liebe und andere Handicaps“ ist eine
bemerkenswerte Liebesgeschichte, weil sie jenseits der üblichen
Normalität stattfindet und eine ungewöhnliche Thematik aufgreift:
John sitzt nach einem Unfall, bei dem sein Genick gebrochen wurde,
querschnittsgelähmt im Rollstuhl.
Um
es gleich vorweg zu nehmen. In Annabelle Costas Roman geschieht kein Wunder. John kann nicht plötzlich wieder laufen. Seine
Behinderung ist dauerhaft. Die Autorin schildert erstaunlich gelöst
und bildintensiv und wahrscheinlich deswegen sehr signifikant die
Einschränkungen, denen John wegen der Lähmung unterworfen ist. Der
Einunddreißigjährige kann viele Tätigkeiten nicht ausführen und
ist in seiner Beweglichkeit extrem eingeschränkt. Eines
belastet ihn allerdings oft mehr: Die Menschen sehen ihm nicht in die Augen,
verhalten sich seltsam und verletzen seine Gefühle. Denn grundsätzlich ist ja sein Kopf völlig in Ordnung, nur sein Körper eben nicht.
Annabelle
Costa nimmt kein Blatt vor den Mund und verzichtet zudem nicht auf das
Ansprechen unangenehmer Themen. Trotzdem führt sie ihren Helden
niemals vor und beschreibt mit enormer Empathie seine Verwundbarkeit.
Vor
allem schlägt sie einen heiteren Ton an, wenn ihre Protagonisten
miteinander agieren.
John
hat einen trockenen Humor, der extrem bissig und sarkastisch sein
kann, wodurch er manchmal gemein klingt, aber zugleich auch
unglaublich witzig wirkt. Kirby liebt es, sich mit ihm zu kabbeln.
Sie verfügt über eine unerschöpfliche Energie und ist
Cupecake-Bäckerin aus Leidenschaft. Während ihrer Arbeit im Laden
ihrer Tante Minnie kreiert sie gerne neue Rezepte, die sie nicht allein John, sondern ebenso den Leser „kosten“ lässt. Eines der Dinge,
die beide mögen. Das Anschauen von skurrilen Filme ist eine weitere
Übereinstimmung.
Kirby
und John während der Entwicklung ihrer Emotionen zu beobachten,
macht nicht nur während der amüsanten Momente Freude. Dabei ist es
von Vorteil, dass die beiden uns aus ihrer jeweiligen Sicht an ihrer
Gefühlswelt teilhaben lassen und zu jedem Zeitpunkt Einblicke
ermöglichen, wie es ihnen gerade geht. Mit dieser Darstellung
beweist Annabelle Costa großes Einfühlungsvermögen.
„Der Trauzeuge. Liebe und andere Handicaps“ beeindruckt mit einer innigen und warmherzigen Geschichte abseits von Kitsch und Klischee.
„Der Trauzeuge. Liebe und andere Handicaps“ beeindruckt mit einer innigen und warmherzigen Geschichte abseits von Kitsch und Klischee.
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