Mila Volkmann ist nach dem an der Berliner Charité abgeschlossenen Medizinstudium
ihrem Traummann David nach Hannover gefolgt und tritt eine neue Stelle als
Assistenzärztin in der Anästhesie am
Oststadt-Klinikum an. Ihr Leben ist voller schöner und erfüllender Dinge: Da
sind David und ihre Arbeit in der Klinik, ihre Familie in Thüringen, zu der sie
regelmäßig Kontakt hat und zu Besuch fährt, ihre beste Freundin Helen, die
ebenfalls die Koffer gepackt und in Hannover eine neue Heimat gefunden hat.
Zum vollendeten Glücklichsein fehlt der jungen Frau bloß noch ein
Baby. Allerding will es damit partout nicht klappen, und Mila gelangt immer
mehr zu der Erkenntnis, dass sie diesen Wunsch alleine hegt, David noch kein
Kind möchte und er die Familienplanung nur noch mit Schmerz und Stress
verbindet.
Und wäre das nicht schon irritierend genug, entwickelt Mila Gefühle
für ihren zwar bei erster Betrachtung unnahbar wirkenden, gleichwohl
attraktiven Oberarzt Sayan Allahyari, ohne sich diese einzugestehen.
„Unter dem Blick seiner dunklen Augen fühle ich mich so verstanden, so
wahrgenommen wie nie zuvor in meinem Leben.“ (Seite 114)
Einmal davon abgesehen, dass sie sich in seiner Gegenwart in ein
tollpatschiges Kind verwandelt, was denkbar ungünstig für ihr berufliches
Dasein ist, läuft der Job in der Klinik nicht rund, und auch David zieht sich
zurück.
Als sie schließlich lebensbedrohlich erkrankt und auf Hilfe angewiesen
ist, scheint sie allein, und es ist Sayan, der sie auffängt, bei sich aufnimmt
und sie pflegt. Er hüllt sie ein in einen Kokon aus Fürsorge und Zuneigung.
„Kleines Glühwürmchen. Ich habe Angst um dich, weißt du das?“ (Seite
192)
Nun steht Mila vor einem Dilemma und damit alles auf den Prüfstand,
wovon sie bislang geträumt hat.
„Die Macht, die mich zu Sayan hinzieht, gleicht einer Naturgewalt und
stellt alles in den Schatten, was ich jemals für David empfunden habe.“ (Seite
195)
Wer wird am Ende des holprigen Weges inmitten dieses Gefühlschaos auf
sie warten?
„Herzkrank“, eine sogenannte „Hospital Romance“, ist Anna Hensels
Debüt. In dem Liebesroman, der (unter anderem) in einem Krankenhaus angesiedelt
ist, rückt die Autorin mit Mila Volkmann eine junge Ärztin in den Mittelpunkt
und erzählt ihre Liebesgeschichte.
Anna Hensel weiß, wovon sie schreibt, das offenbart ein Blick auf
ihren eigenen beruflichen Werdegang. Schließlich ist sie selbst Medizinerin und
hat als Assistenzärztin in verschiedenen Kliniken gearbeitet und einerseits den
herausfordernden Alltag mit Patienten und die Auseinandersetzung mit den Widrigkeiten des Gesundheitswesens sowie die
kräftezehrende Härte dieser Tätigkeit erfahren, andererseits ebenso die
erfüllenden Momente.
Deshalb hat mir ihre authentische, realitätsnahe und unverfälschte
Darstellung vom Krankenhausalltag gefallen, und ich hätte mir gewünscht, dass
die Autorin der Handlung ein paar mehr Szenen in der Klinik gegönnt hätte. Denn
leider spielt dies nach der Erkrankung von Mila lediglich nebensächlich und
kaum eine Rolle.
Auch wenn die Handlung und ihre Figuren ihrer Fantasie entspringen,
hat Anna Hensel sich von vielen eigenen Erlebnissen inspirieren lassen, so dass
wir unmittelbar und in einer gewissen Tiefe in die in die gedankliche und emotionale
Welt einer angehenden Fachärztin
einbezogen werden, wenn diese sich
besonders zu Beginn ihrer Ausbildung in der Anästhesie einigen beruflichen Herausforderungen
ihrer Laufbahn gegenüber sieht und dann plötzlich selbst zur Patientin wird,
weil sie – wie in manchen Berufsständen üblich – in eigener gesundheitlicher Angelegenheit
etwas zu sorglos gewesen ist.
„Herzkrank“ beweist, dass Ärzte wie alle anderen nur allzu
menschlichen Regungen unterliegen und dass es völlig einerlei ist, welcher
Berufsgruppe jemand angehört:
Wenn die Gefühle überhandnehmen, kann auch bei einer jungen Ärztin
Chaos herrschen, sobald sie sich plötzlich zwischen zwei Männern wiederfindet
und das Seelenleben völlig durcheinandergerät.
Dies beschreibt Anna Hensel auf eine ausgeglichene und wohltuend
unaufgeregte Art und Weise, sensibel
und gelegentlich mit einem sentimentalen, zu zuckrigem Hauch, aber auf jeden
Fall mit einer Erzählstimme, die bis zu uns als Leser durchdringt. Sie
lässt dabei ihre Protagonistin Mila selbst berichten, so dass hauptsächlich die
Emotionslage im Wechsel zwischen Euphorie und Enttäuschung beim Triangel Mila,
David und Sayan deutlich zu Tage tritt und gut nachvollziehbar ist, wobei ich
mir ab und an mehr Festigkeit in den
Empfindungen von Mila gewünscht hätte.
Hervorzuheben ist zudem, dass bei
Anna Hensel die Herkunft keine Rolle spielt. Es wird nur kurz erwähnt, dass die
Wurzeln von einem Teil von Sayans Familie offensichtlich nicht in Deutschland
liegen, jedoch im Verlauf der Handlung nicht weiter thematisiert. Was zählt
sind die Werte und Emotionen eines Mannes, die von der Autorin überzeugend ausgeführt
werden.
Insgesamt verfügt die Geschichte über eine
Leichtigkeit, die auch im Verbund mit den geschilderten
Konflikten anschaulich und unterhaltend ist.
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Ich danke der Autorin für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares. Der Roman ist bei CWNiemeyer Buchverlage erschienen.
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