Montag, 24. Februar 2025

Herzkrank

Mila Volkmann ist nach dem an der Berliner Charité abgeschlossenen Medizinstudium ihrem Traummann David nach Hannover gefolgt und tritt eine neue Stelle als Assistenzärztin in der Anästhesie  am Oststadt-Klinikum an. Ihr Leben ist voller schöner und erfüllender Dinge: Da sind David und ihre Arbeit in der Klinik, ihre Familie in Thüringen, zu der sie regelmäßig Kontakt hat und zu Besuch fährt, ihre beste Freundin Helen, die ebenfalls die Koffer gepackt und in Hannover eine neue Heimat gefunden hat.
 
Zum vollendeten Glücklichsein fehlt der jungen Frau bloß noch ein Baby. Allerding will es damit partout nicht klappen, und Mila gelangt immer mehr zu der Erkenntnis, dass sie diesen Wunsch alleine hegt, David noch kein Kind möchte und er die Familienplanung nur noch mit Schmerz und Stress verbindet.
 
Und wäre das nicht schon irritierend genug, entwickelt Mila Gefühle für ihren zwar bei erster Betrachtung unnahbar wirkenden, gleichwohl attraktiven Oberarzt Sayan Allahyari, ohne sich diese einzugestehen.
 
„Unter dem Blick seiner dunklen Augen fühle ich mich so verstanden, so wahrgenommen wie nie zuvor in meinem Leben.“ (Seite 114)
 
Einmal davon abgesehen, dass sie sich in seiner Gegenwart in ein tollpatschiges Kind verwandelt, was denkbar ungünstig für ihr berufliches Dasein ist, läuft der Job in der Klinik nicht rund, und auch David zieht sich zurück.
 
Als sie schließlich lebensbedrohlich erkrankt und auf Hilfe angewiesen ist, scheint sie allein, und es ist Sayan, der sie auffängt, bei sich aufnimmt und sie pflegt. Er hüllt sie ein in einen Kokon aus Fürsorge und Zuneigung.
 
„Kleines Glühwürmchen. Ich habe Angst um dich, weißt du das?“ (Seite 192)
 
Nun steht Mila vor einem Dilemma und damit alles auf den Prüfstand, wovon sie bislang geträumt hat.
 
„Die Macht, die mich zu Sayan hinzieht, gleicht einer Naturgewalt und stellt alles in den Schatten, was ich jemals für David empfunden habe.“ (Seite 195)
 
Wer wird am Ende des holprigen Weges inmitten dieses Gefühlschaos auf sie warten?


„Herzkrank“, eine sogenannte „Hospital Romance“, ist Anna Hensels Debüt. In dem Liebesroman, der (unter anderem) in einem Krankenhaus angesiedelt ist, rückt die Autorin mit Mila Volkmann eine junge Ärztin in den Mittelpunkt und erzählt ihre Liebesgeschichte.
 
Anna Hensel weiß, wovon sie schreibt, das offenbart ein Blick auf ihren eigenen beruflichen Werdegang. Schließlich ist sie selbst Medizinerin und hat als Assistenzärztin in verschiedenen Kliniken gearbeitet und einerseits den herausfordernden Alltag mit Patienten und die Auseinandersetzung mit den Widrigkeiten des Gesundheitswesens sowie die kräftezehrende Härte dieser Tätigkeit erfahren, andererseits ebenso die erfüllenden Momente.
 
Deshalb hat mir ihre authentische, realitätsnahe und unverfälschte Darstellung vom Krankenhausalltag gefallen, und ich hätte mir gewünscht, dass die Autorin der Handlung ein paar mehr Szenen in der Klinik gegönnt hätte. Denn leider spielt dies nach der Erkrankung von Mila lediglich nebensächlich und kaum eine Rolle.
 
Auch wenn die Handlung und ihre Figuren ihrer Fantasie entspringen, hat Anna Hensel sich von vielen eigenen Erlebnissen inspirieren lassen, so dass wir unmittelbar und in einer gewissen Tiefe in die in die gedankliche und emotionale Welt einer angehenden Fachärztin einbezogen werden, wenn diese sich besonders zu Beginn ihrer Ausbildung in der Anästhesie einigen beruflichen Herausforderungen ihrer Laufbahn gegenüber sieht und dann plötzlich selbst zur Patientin wird, weil sie – wie in manchen Berufsständen üblich – in eigener gesundheitlicher Angelegenheit etwas zu sorglos gewesen ist.
 
„Herzkrank“ beweist, dass Ärzte wie alle anderen nur allzu menschlichen Regungen unterliegen und dass es völlig einerlei ist, welcher Berufsgruppe jemand angehört:
 
Wenn die Gefühle überhandnehmen, kann auch bei einer jungen Ärztin Chaos herrschen, sobald sie sich plötzlich zwischen zwei Männern wiederfindet und das Seelenleben völlig durcheinandergerät.

Dies beschreibt Anna Hensel auf eine ausgeglichene und wohltuend unaufgeregte Art und Weise, sensibel und gelegentlich mit einem sentimentalen, zu zuckrigem Hauch, aber auf jeden Fall mit einer Erzählstimme, die bis zu uns als Leser durchdringt. Sie lässt dabei ihre Protagonistin Mila selbst berichten, so dass hauptsächlich die Emotionslage im Wechsel zwischen Euphorie und Enttäuschung beim Triangel Mila, David und Sayan deutlich zu Tage tritt und gut nachvollziehbar ist, wobei ich mir ab und an mehr Festigkeit in den Empfindungen von Mila gewünscht hätte.

Hervorzuheben ist zudem, dass bei Anna Hensel die Herkunft keine Rolle spielt. Es wird nur kurz erwähnt, dass die Wurzeln von einem Teil von Sayans Familie offensichtlich nicht in Deutschland liegen, jedoch im Verlauf der Handlung nicht weiter thematisiert. Was zählt sind die Werte und Emotionen eines Mannes, die von der Autorin überzeugend ausgeführt werden.
 
Insgesamt verfügt die Geschichte über eine Leichtigkeit, die auch im Verbund mit den geschilderten Konflikten anschaulich und unterhaltend ist.
 
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Ich danke der Autorin für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares. Der Roman ist bei CWNiemeyer Buchverlage erschienen.
 

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