Die sechsunddreißigjährige Grace McAllister hat sich für ein Leben
ohne Kinder entschieden. Dann jedoch begegnet sie dem gutaussehenden charismatischen
Gastronomen Victor, und sie fühlt, dass die Beziehung anders
ist als ihre vorherigen. Diese Annahme ist berechtigt, denn dieser Mann ist etwas Besonderes: Victor hat zwei Kinder - Ava und Max. Aber da die Kinder bei ihrer Mutter Kelli
leben, entscheidet sich Grace, das Wagnis einzugehen. Trotzdem gestaltet sich das Dasein als
Teilzeiteltern nicht einfach, da Grace als Freundin des
Vaters nicht unbedingt akzeptiert wird.
Als Kelli unter mysteriösen Umständen stirbt, sieht sich
Grace von einem Tag auf den anderen damit konfrontiert, dass die Kinder nunmehr
bei ihrem Vater wohnen und sie sich in der Rolle der „Stiefmutter“ zweier
trauernder Kinder befindet.
„Ein
Platz in deinem Herzen“ ist ein leiser Roman. Amy Hatvany
gibt darin drei sehr unterschiedlichen Frauen eine Stimme: Grace, Kelli und der
dreizehnjährigen Ava.
Da ist zunächst Grace, eine selbstbewusste Frau, die einfach nicht den Wunsch nach
eigenen Kindern verspürt. Als sie Victor kennenlernt, muss sie auch seine zwei
Kinder akzeptieren, wenn sie mit ihm zusammen sein will.
Amy Hatvany stellt Grace erfreulicherweise nicht als
klassische kinderlose Karrierefrau dar. Vielmehr ist Grace ohne prägende Mutterfigur mit einem jüngeren Bruder aufgewachsen,
weshalb sie auf eigene Kinder verzichtet. Sie ist weder herzlos noch auf sich bezogen,
sondern auch in schwierigen Zeiten offen und ehrlich zu sich selbst, engagiert
sich für misshandelte Frauen und hilft diesen, ihre zerstörten Leben
aufzubauen.
Die neue Situation verunsichert und überfordert Grace. Es
ist schwer für sie, sich in die Rolle einer Stiefmutter hineinzufinden, weil sie
nicht weiß, ob es ihr gelingt. Zudem ist Victor so beschäftigt mit seiner
Arbeit, dass er nicht in der Lage ist, zwischen seiner neuen Partnerin und den
Kindern zu vermitteln. Von Anfang an lässt er es an der notwendigen
Unterstützung mangeln, Grace an die für sie schwierigen Gegebenheiten
heranzuführen. Denn Victor hat seinerseits Angst, Ava und Max kein guter Vater zu sein, zu
schwach, um ihnen beizustehen und ihnen über ihren Kummer hinwegzuhelfen.
Doch Grace ist niemand, der einfach wegläuft und Menschen im
Stich lässt, nur weil dies leichter wäre. Vielmehr stellt sie sich der Aufgabe.
„Vielleicht war Muttersein ja längst nicht so beängstigend,
wie ich immer geglaubt hatte.“ (Seite 204)
Leider werden ihre Bemühungen nicht anerkannt. Trotzdem sie
sich sehr zurücknimmt und Victor als Vater alle Entscheidungen überlässt,
bekommt sie vor allem zu Amy sehr schwer Zugang.
Die Dreizehnjährige ist ein komplizierter Charakter und
offenbart viele Schichten. Reif für ihr Alter musste sie nicht nur mit ansehen,
wie die Ehe ihrer Eltern in die Brüche ging, sondern außerdem, wie ihre emotional
instabile Mutter immer öfter in Depressionen versank.
Amy wurde so in die Rolle
der Verantwortlichen gedrängt, die sich um den Bruder und um die täglich
anfallenden Dinge kümmerte. Und um die Mutter, die sie über alles liebte und um
derentwillen sie all das tut. Weil sie im tiefsten Inneren niemals die Hoffnung
aufgegeben hat, dass der Vater zurückkehrt und die Familie wieder zusammen ist.
Eine Menge, ein Zuviel für ein junges Mädchen. Sie verliert
ihre Mutter und hat das Gefühl, mutterseelenallein zu sein. „Meine Mama war fort. Nie wieder würde sie mich in den Arm
nehmen, mir nie wieder sagen, wie klug ich wäre und wie hübsch.“ (Seite 147) - Dann ist da noch die Angst, dass auch der Vater sterben könnte.
Während Grace und Ava in der Gegenwart erzählen, erfährt
der Leser von Kellis Schicksal durch
Rückblenden in die Vergangenheit. Dieses, geprägt von Lügen und Verdrängung,
ruft unweigerlich Beklemmung und Bedauern hervor.
Denn Kelli ist die schwächste und traurigste Person in der
Geschichte. Niemand kennt ihr Inneres wirklich, ihr Leben ist voller
Geheimnisse. Geprägt von einer schwierigen Kindheit in einem strengen
Elternhaus hat sie bereits in frühster Jugend gelernt, sich in zwei
verschiedene Personen aufzuspalten – die, als die die anderen sehen wollen, und
die andere, die sie wirklich ist.
An das Glück mit Victor hängt sie sich mit Hingabe, in ihrer
Mutterschaft geht sie auf. „Erst als Mutter weißt du, was Liebe wirklich
bedeutet. Es ist ein überwältigendes Gefühl, das man nur verstehen kann, wenn
man selbst ein Kind hat. Es wiegt alle Schwierigkeiten auf und ist jede Minute
wert.“ (Seite 143) - Doch sie klammert, und unweigerlich führt das zum Scheitern
der Ehe.
Amy Hatvany hat emotional starke Charaktere geschaffen, die
sich mit den Höhen und Tiefen des Lebens befassen müssen. Es gelingt ihr, durch
die unterschiedlichen Sichtweisen die Empfindungen der Beteiligten
offenzulegen. Diese sind nicht perfekt, sondern fehlbar, und sie müssen lernen,
sich gegenseitig zu vertrauen und gemeinsam daran zu arbeiten, das Geschehene
zu verarbeiten. Die Autorin macht es ihren Protagonisten nicht leicht und
bietet keine einfache Lösung an. Dadurch wird ihre Schilderung realistisch.
„Ein Platz in deinem Herzen“ ist ein ergreifendes und
hoffnungsvolles Porträt über ganz normale Menschen, die nach dem Verlust eines
nahe stehenden Familienmitglieds versuchen, das Richtige zu tun, und die sich auf
der Suche nach Liebe und Akzeptanz den Herausforderungen stellen.
4,5 Sterne
4,5 Sterne
Erschienen ist der Roman im Blanvalet Verlag, dem ich für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares danke.
"Heart Like Mine" ist die englische Version. Ich lese gerne die Originalversionen. Das Buch werde ich mir auf mein Kindle laden und lesen. Die Autorin hat noch einige schöne Bücher, danke fürs Vorstellen!
AntwortenLöschenLG Lesley
Liebe Anke,
AntwortenLöschenich kann mir gut vorstellen, dass Grace da keine einfache Aufgabe übernommen hat - es ist schon schwierig genug, von Kindern als neue Partnerin akzeptiert zu werden (wie ich aus meinem Freundeskreis weiß), aber wenn dann auch noch die leibliche Mutter der Kinder stirbt, kann das für alle Beteiligten an die eigneen Grenzen führen. Klingt nach einem spannenden Roman, danke fürs Vorstellen!
Herzlichst, die Traude
http://rostrose.blogspot.co.at/2018/01/anl-25-3-neue-herausforderungen-bei-anl.html
PS: Ich glaube, hier wolltest du "sechsunddreißigjährige" schreiben: "Die sechsunddreißige Grace McAllister" ;-)
Genauso ist es, liebe Traude, danke dir...
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