Mittwoch, 8. März 2023

Quimby und sein Traum vom Fliegen


Quimby wird einmal ein großer Pinguin. Schließlich gehört er zu den Kaiserpinguinen, die als Erwachsene durchaus Körpermaße von über einen Meter erreichen. Indes sind auch Kaiserpinguine in einer Sache ganz klein: Sie können – wie alle ihre Artgenossen – nicht (mehr) fliegen. Was für ein Dilemma. Besonders für Quimby.

Das Wasser seiner Heimat, der Antarktis, in dem er sich blitzschnell schwimmend fortbewegen könnte, wenn er es denn gelernt hätte, ringt ihm wenig Begeisterung ab. Ihn zieht es nämlich in die Lüfte. Wie sein großes Vorbild: den Albatros Manu. Er ist wie ein Vater für ihn und er kann das, was sich Quimby sehnlichst wünscht: Fliegen. Das versteht Quimby nicht, sie sind doch beide Vögel. Trotz des Spottes der anderen Pinguine und ihrer Ratschläge, sich mit der Tatsache abzufinden, hält er an seinem Traum fest: Eines Tages möchte er auch fliegen können.

Der Weg dorthin ist gepflastert mit Abenteuern, Risiken, Gefahren und Rückschlägen. Aber Quimby verliert sein Ziel nicht aus den Augen.


Isabell Hatt und Romain Previti haben sich mit „Quimby und sein Traum vom Fliegen“ den Wunsch vom eigenen Kinderbuch erfüllt und eine Geschichte voller Inspiration geschrieben, die sich in ihrer einfachen und verständlichen Erzählweise gut zum Vorlesen eignet. Wegen des umfangreichen und ausführlichen Textes dürfte die Aufmerksamkeit von Dreijährigen auf Dauer nicht zu halten sein, jedoch das Interesse von Kinder ab Vier oder Fünf wecken.

Das liegt auf jeden Fall auch an den fröhlichen Illustrationen, deren Verhältnis zum Text zwar nicht optimal ausgewogen erscheinen, die allerdings die Handlung der Geschichte stimmig untermalen.

Von Isabell Hatt und Romain Previti werden einige Inhalte angesprochen, mit denen sich Kinder in diesem Alter bereits beschäftigen.

Quimby, dem Mutter und Ziehvater Manu viel Freiraum lassen, muss selbstsicher werden im Umgang mit Herausforderungen, seine Stärken ausloten, sich mit seinen Ängsten auseinandersetzen und lernen, seine Verzweiflung bei Niederlagen und Enttäuschungen in etwas Gutes zu verwandeln, sich dabei immer wieder neu motivieren, seinen Horizont zu erweitern und nach etwaigem Scheitern nicht aufzugeben.

Dazu gehören Hartnäckigkeit, Ehrgeiz, Zuversicht und die Bereitschaft, am eigenen Traum festzuhalten. Und es bedarf der Freundschaft und Hilfsbereitschaft vieler Tiere und Menschen. Wobei letztere in der Geschichte einen Stellenwert einnehmen, den ich mir persönlich in einem anderen Maß gewünscht hätte.


Was bleibt ist ein liebenswerter kleiner Pinguin, der seinen Weg geht, um seinen Platz in der Welt zu finden.

*Werbung*
Ich danke für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares, insbesondere Literaturtest für die Vermittlung.

Dienstag, 14. Februar 2023

Marigold. Gegen den Wind

 Die Welt war so viel größer als all das. Einen winzigen Augenblick lang hatte sie ihre Flügel ausstrecken dürfen, um sie zu erkunden, bevor ihr Vater sie erneut in einen goldenen Käfig gesperrt hatte. Würde sie je wieder Gelegenheit bekommen, daraus auszubrechen?“

Ihre Schönheit und ihr Temperament haben Marigold Clayton, Tochter aus wohlhabenden Hause, kein Glück beschert. Ein unbedachter Kuss, zu dem sie vom Verlobten ihrer Schwester verführt wird, verwickelt sie unverschuldet in einem Skandal und bringt ihr den Ruf als undamenhafter Tollkopf ein. Ein Unding in der Londoner Gesellschaft des Jahres 1769. Marigolds Vater zieht die Konsequenzen, zumal sie nicht nur ihrem Ansehen geschadet, sondern zugleich auch die Heiratsabsichten ihrer jüngeren Schwester Frances zunichte gemacht hat. Obwohl Marigold nicht viel auf das Geschwätz der Leute gibt, bleibt ihr nichts anderes übrig, als sich zu fügen.

An der Seite ihres Onkels Absalom, Handelsbeauftragter der Hudson’s Bay Company in der Provinz Québec reist sie nach Kanada. In Montreal soll sie nicht nur auf den Pfad der Tugend zurückgeführt werden, sondern auch einen passenden Ehemann finden.

Marigold öffnet sich eine völlig andere Welt und ihre Ansichten und ihr Gewissen werden auf eine harte Probe gestellt. Sie erhält leidvolle Einblicke hinter die Fassaden der sogenannten besseren Kolonialgesellschaft, in das Leben der Siedler und Ureinwohner. Letztlich gerät sie in dramatische Konflikte der sich gegenüberstehenden unterschiedlichen Parteien und sodann Gefahr, als sie entdeckt, dass ihr Onkel ein dunkles Geheimnis hütet. Sie muss folgenschwere Entscheidungen treffen und weiß nicht, wem sie vertrauen kann. Ist beispielsweise Kieran, ein Angestellten ihres Onkels, jemand, der es ehrlich mit ihr meint?


Marigold. Gegen den Wind“ ist ein historischer Roman, der sich neben der Geschichte einer jungen Frau im gesellschaftlichen Kontext einem interessanten Thema widmet: dem Pelzhandel in den britischen Kolonien des 18. Jahrhunderts und der damit einhergehenden begehrlichen Rücksichtlosigkeit gegenüber der ursprünglichen Einwohner – Menschen wie Tieren. Dabei gelingt Camilla Warno die Einbindung dieses eher unbekannten historischen Hintergrundes auf beachtenswerte Art und Weise, weil dies in Form teilweise bedrückender und vielfältiger kämpferischer Momente und mittels überraschender Ereignisse und unerwarteter Wendungen vorgenommen wird. Ab und an wirken diese Wechsel indes zu viel und haben einen unruhigen Verlauf.

Davon einmal abgesehen erzählt die Autorin mit Enthusiasmus und entwickelt eine glaubhafte Schilderung mit einer anschaulichen und lebhaften Beschreibung des Geschehens, in der auch heitere Augenblicke ihren Platz finden. Hierdurch visualisiert sich für uns ein reales Bild vergangener Zeit, das mit einer ans Herz rührende Liebesgeschichte ergänzt wird.

Camilla Warno bindet uns gut in das emotionale Auf und Ab ihrer Protagonisten ein. Sie hat eine recht ausgewogene Charakterzeichnung zwischen „Gut“ und „Böse“ geschaffen, in der Sympathien und Antipathien zwar überwiegend eindeutig verteilt werden, gleichwohl Nuancen in der Gestaltung vorhanden sind.

Marigold nimmt als titelgebende Figur die herausragende Stellung ein. Sie ist eine junge Frau mit kühnem Selbstvertrauen, die ihre Umwelt mit Offenheit und Neugier betrachtet, diese hinterfragt und sich mit ihr auseinandersetzt, großes Interesse an Büchern und der Anhäufung von mehr Wissen hat und liebend gern eigene Träume verwirklichen möchte. Marigold agiert mit Feingefühl, manchmal auch – will man es ihr verdenken – unerfahren, spontan und naiv. Und sie ist nicht frei von Vorurteilen, Skepsis und Misstrauen, wiederum sehr menschliche Eigenarten. Bemerkenswert ist ihr couragiertes Auftreten für andere, das sich im Verlauf der Handlung verstärkt. Und ihr Wille, sich einen Platz in der Welt zu erkämpfen ...

*Werbung*
Ich danke der Autorin für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares.

Sonntag, 25. Dezember 2022

Frohe Weihnachten


Ihr Lieben,
ich wünsche euch
wunderbare und harmonische Feiertage
mit vielen Momenten zum Innehalten. 


Freitag, 25. November 2022

Drei Tage in Aufbruchstimmung - Tag 3: Die Bewertung

Mit „Kinder des Aufbruchs“ setzt Claire Winter die in „Kinder ihrer Zeit“ begonnene Geschichte der Zwillinge Emma und Alice fort.

Wie ihre Schwester hat nun auch Alice nach ihrer Flucht in den Westen in Berlin ein neues Zuhause gefunden. Beide arbeiten und haben sich mit ihren Ehemännern Julius und Max sowie Tochter Lisa ein Leben aufgebaut. Doch nicht nur der unerfüllte Kinderwunsch von Emma macht ihr zu schaffen. Es sind auch Geheimnisse aller Beteiligten, mit der die Autorin die Leser zu fesseln vermag. Hinzu kommt ein Mord, bei dem fast schon kriminalistischer Spürsinn gefragt ist.

Insgesamt präsentiert Claire Winter eine wendungsreiche Handlung, mit der es ihr in bemerkenswert authentischer Weise gelingt, die politische Situation und die Lebenssituation der Menschen darzustellen.

Glaubwürdig erzählt sie unter Verwendung von wechselnden Perspektiven im Spannungsfeld des nach dem Mauerbaus schwelenden Ost-West-Konflikts auch von der Aufbruchstimmung in der Bundesrepublik, wo entgegen der im Grundgesetz formulierten Grundrechte eine andere Realität offensichtlich ist: nach wie vor bestehen nicht nur eine Bevormundung im Geschlechterverhältnis, sondern außerdem soziale Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten.

Insbesondere die Studenten wollen sich nicht mehr mit dem Althergebrachten zufrieden geben und gehen für einen grundlegenden Wandel der Gesellschaft auf die Straße. Außerdem thematisiert die Autorin die gefährliche Arbeit der Fluchthilfe-Organisationen, den Gefangenenaustausch zwischen den beiden deutschen Staaten. Nicht zuletzt haben Angehörige der Geheimdienste durchaus fragwürdige Auftritte.

Die lobenswert intensive Recherche der Autorin zahlt sich aus. Ihre umfangreiche Schilderung der damaligen Umstände und tatsächlichen Ereignisse sowie die Einbindung historischer Personen bietet ein anschauliches Kaleidoskop und wirkt gerade dann sehr realistisch, wenn es mit Gegebenheiten im Dasein ihrer fiktiven Figuren verknüpft wird. In diesem Zusammenhang ist die einfühlsame Charakterzeichnung der Protagonisten mit Stärken und Schwächen hervorzuheben.

Tatsächlich erreicht manches Geschehen den Leser so hautnah, dass es Beklemmung hervorruft. Ebenso lassen sich bei der Lektüre indes neben Empörung, Unverständnis und Ablehnung auch Hoffnung und Freude empfinden, so dass auch mittels dieser Emotionalität „Kinder des Aufbruchs“ zu einer nachhaltigen Lektüre wird.

*Werbung*
Erschienen ist der Roman im Diana Verlag.
 

Sechs Jahre nach dem Mauerbau lernt die erfolgreiche Dolmetscherin Emma in West-Berlin die aus dem Ostteil der Stadt geflohene Sängerin Irma Assmann kennen. Als sie ihrer Zwillingsschwester Alice davon erzählt, reagiert diese beunruhigt. Alice schreibt als Journalistin über die Studentenbewegung und steht in Kontakt mit verschiedenen Fluchthilfe-Organisationen. Ist Irma mit ihren ehemaligen Beziehungen zum KGB als Informantin im Westen? Oder sind die Schwestern und deren Männer Julius und Max durch ihre Verbindungen zur DDR zu Zielscheiben geworden? Kurz darauf wird die Sängerin ermordet, und die vier geraten inmitten der Studentenunruhen zwischen die Fronten der Geheimdienste. (Quelle: Verlag)

Donnerstag, 24. November 2022

Drei Tage in Aufbruchstimmung - Tag 2: Die Geschichte

1967 und damit sechs Jahre nach dem Mauerbau ist der Traum von einer deutschen Einheit geplatzt. Die Fronten des Kalten Krieges zwischen Ost und West sind verhärtet und von Misstrauen und Ängsten vor dem „Klassenfeind“ geprägt.


Doch auch innerhalb der Gesellschaft gärt es. Besonders die Studenten sind unzufrieden mit den alten Strukturen an den Hochschulen. Ihre Forderungen gelten zeitgemäßen Lerninhalten, einer sozialen Chancengleichheit im Bildungswesen, besseren Lernbedingungen und vor allem auch der Entlassung von Lehrkräften mit Nazi-Vergangenheit. Außerdem erheben sie ihre Stimme für das Ende des Vietnamkrieges und den Stopp der atomaren Aufrüstung. Zusätzlichen Zündstoff bieten die von der Großen Koalition erlassenen Notstandsgesetze, weil sie damit einhergehende gravierende Einschränkungen der demokratischen Grundrechte befürchten.

Im Juni 1967 eskalieren die Ereignisse, als die Studenten in Berlin gegen den offiziellen Besuch des persischen Schahs Reza Pahlevi demonstrierten und dabei Benno Ohnesorg getötet wird. Dadurch tritt eine Radikalisierung der Aktionen ein. Mit dem Attentat auf Rudi Dutschke, der Galionsfigur der deutschen Studentenbewegung, entwickelt sich die bis dahin friedlich Protestbewegung zur Studentenrevolte, die fast alle Universitätsstädte erfasst ...


Inmitten dieses Geschehens finden sich die Zwillinge Emma Laakmann und Alice Weiß wieder, die im geteilten Berlin ihre einstige dramatische Trennung überwunden und ein vertrauensvolles Verhältnis aufgebaut haben.

Während Emma als Dolmetscherin arbeitet und eine glückliche Ehe mit Julius führt, die allerdings nach einer Fehlgeburt von dem unerfüllten Kinderwunsch überschattet wird, schreibt die Journalistin Alice unter anderem über die sich entwickelnde Studentenbewegung und engagiert sich für verschiedene Fluchtorganisationen. Mit ihrem Mann Max, dem Vater ihrer Tochter Lisa, hat sie ein Arrangement getroffen, das ihnen beiden jede Freiheit einräumt.

Als die aus dem Ostteil der Stadt geflüchtete Sängerin Irma Assmann, die Alice aus ihrer Vergangenheit in einem DDR-Kinderheim keine Unbekannte ist, ermordet wird, geraten die beiden Paare in einen gefährlichen Strudel unterschiedlicher Ereignisse zwischen den Studentenunruhen und Geheimdienstaktivitäten.

Es stellt sich nicht allein die Frage, ob Irma im Westen als Informantin für den KGB gearbeitet hat. Gerät Alice selbst in den Fokus, weil sie wegen einer vermeintlichen Schuld ihre Unterstützung für eine Gruppe, die Flüchtlinge über ein Tunnelsystem in den Westen schleust, intensiviert? Oder sind Julius und Max wegen ihrer vielfältigen Verbindungen zur DDR Zielscheiben der Staatssicherheit und des Bundesnachrichtendienst?

*Werbung*
Erschienen ist der Roman im Diana Verlag.

Mittwoch, 23. November 2022

Drei Tage in Aufbruchstimmung - Tag 1: Interview mit der Autorin

Ich grüße dich, Claire, und freue mich, dass du dir anlässlich des Erscheinens deines neuen Buches Zeit für ein Interview genommen hast. Lass uns sofort starten:

In "Kinder des Aufbruchs" dürfen wir nach "Kinder ihrer Zeit" erneut die Zwillinge Emma und Alice und ihre Familien begleiten. Was war deine besondere Motivation für eine Fortsetzung der Geschichte?

Als ich an den letzten Kapiteln von „Kinder ihrer Zeit“ schrieb, hatte ich das Gefühl, dass die Geschichte von Emma und Alice, aber auch der beiden Männer Julius und Max, noch nicht an ihrem Ende angekommen war und es noch mehr über sie zu erzählen gab. Als der Roman herauskam, habe ich dann im Internet eine Leserunde in einem Buchforum als Autorin begleitet und angeregt durch die Fragen und Spekulationen der Teilnehmerinnen, wie sich wohl das Leben der beiden Schwestern nach den dramatischen Ereignissen, die hinter ihnen lagen, weiter entwickeln würde, entstand so die Idee von „Kinder des Aufbruchs“.

Wie gestaltete sich deine Recherche? War es schwierig, an Material und Hintergrundinformationen zu gelangen?

Ich recherchiere für meine Bücher immer sehr lange und intensiv. Ich lese erst mal sehr viel – wissenschaftliche Literatur, aber auch Biografien, Briefwechsel oder Zeitungsartikel aus der Zeit, ich schaue mir aber auch Fotos oder Filmaufnahmen an und besonders wichtig sind für mich Zeitzeugeninterviews. Für mich ist es beim Schreiben stets von Bedeutung zu verstehen, wie sich eine Zeit für die Menschen damals angefühlt hat. Dann gehe ich aber auch in Ausstellungen. Für diesen Roman war ich zum Beispiel noch einmal im Stasi-Museum in Berlin, und ich habe außerdem auch eine unterirdische Führung der Berliner Unterwelten e.V. gemacht. Das war wahnsinnig spannend. Mir macht die Recherche sehr viel Spaß, weil ich es jedes Mal wieder faszinierend finde, in eine vergangene Epoche einzutauchen. Manchmal sind Hintergrundinformationen dabei ganz leicht zu entdecken, manchmal muss ich auch etwas länger suchen. Diese Arbeit hat auch immer etwas von einer Detektivarbeit. Seltsamerweise ist es dabei oft am schwierigsten, die banalen Dinge des Alltags in Erfahrung zu bringen.

In diesem Zusammenhang möchte ich dich zitieren: "Die junge Generation begehrte mit aller Macht gegen die autoritären Hierarchien und die Moralvorstellungen der Eltern auf, forderte mehr Freiheit und ging auf die Straße, um für politische Gerechtigkeit zu kämpfen." - Mich persönlich hat das Vorgehen der Polizei gegen die Demonstrationen sehr erschüttert, und es lässt sich meiner Meinung nach auch nicht mit den demokratischen Grundsätzen vereinbaren. Geht es dir ebenso? Warum denkst du hatte der Staat damals solche "Angst" vor seiner eigenen jungen Bevölkerung?

Ja, mich hat die Gewalt, mit der die Polizei damals vorgegangen ist, zum Teil wirklich schockiert. Ich habe mir ja auch viele Filmaufnahmen aus dieser Zeit angeschaut. Das war natürlich nicht demokratisch, was damals geschehen ist! Die Gründe für dieses brutale Vorgehen sind, glaube ich, sehr vielschichtig. Erstmal erschien natürlich alles, was politisch links war, in dieser Zeit verdächtig und gefährlich. Die Welt befand sich mitten im Kalten Krieg und das war wahrscheinlich nirgends so spürbar wie in Westberlin. Die Polizei dort war paramilitärisch geschult, damit sie im Notfall auch zur Unterstützung des Militärs gegen den kommunistischen Feind eingesetzt werden konnte. Viele Stellen waren darüber hinaus noch mit Beamten besetzt, die eine nationalsozialistische Vergangenheit hatten - oder zumindest von dieser Zeit und ihren Autoritätsbegriffen stark geprägt waren.  Was ganz allgemein auf die ältere Generation zutraf.  Diese Polizei traf nun auf eine neue junge Generation, die das westlich-kapitalistische System hinterfragte, die den Einsatz der verbündeten Amerikaner in Vietnam kritisierte und völlig andere Werte vertrat, was sich auch in ihrer äußeren Erscheinung dokumentierte. Da waren Auseinandersetzungen vorprogrammiert und die Polizei bediente sich althergebrachter Methoden, die viele Politiker, aber auch Teile der Bevölkerung leider durchaus guthießen.

Ich gehe davon aus, dass du ein klares Konzept für Handlungsstränge und die Personenführung hattest. Ist es dir gelungen, dieses einzuhalten, oder gab es während des Schreibens Abweichungen?

Ich erarbeite immer ein sehr ausführliches Exposé, in dem die Handlung und auch die Entwicklung der Charaktere schon sehr genau festgehalten sind, bevor ich anfange zu schreiben, aber bei der Arbeit am Roman verändert sich dann noch mal einiges. Manchmal stimmen zum Beispiel die Zeitabläufe nicht, weil sie im Exposé noch zu ungenau umrissen waren oder die Figuren entwickeln auf einmal eine Eigendynamik und beanspruchen einen anderen Platz in der Geschichte. Das ist aber etwas, dass ich sehr am Schreiben mag, dass sich eben nicht alles vorher festlegen lässt, sondern sich in einem ständigen kreativen Prozess befindet.

Bei der Lektüre des Romans habe ich die Schilderung der vielen Details geschätzt, so dass es auch Ortsfremden gelungen sein dürfte, auf diese Weise nach Berlin zu reisen und sich in die örtlichen Gegebenheiten vor Ort hineinzuversetzen. Hattest du beispielsweise die Chance, einen Teil des Tunnelssystems zu erkunden, um bei deiner Darstellung glaubhaft zu sein?

Ja, ich hatte wie oben erwähnt u.a. auch eine unterirdische Führung bei der Berliner Unterwelten e.V. gemacht, bei der man auch ein Stück Tunnel besichtigen konnte. Die Führung wurde von einem Zeitzeugen gemacht, der selbst geflohen war. Das war sehr eindrucksvoll und hat mir ein Gefühl für die Atmosphäre gegeben. Es hat schon etwas Unheimliches dort unten unterwegs zu sein. Aber es gibt allgemein natürlich auch sehr viel Literatur zu diesem Thema.

Die Gestaltung und Entwicklung der Figuren ist ein wesentlicher Bestandteil eines Romans. Ist es für dich wichtig, dass deine Leser mit den Protagonisten mitfühlen können und/oder Entscheidungen von ihnen mittragen? Gibt es in "Kinder des Aufbruchs" Personen, die du sehr gemocht oder bei deren Ausarbeitung du dir die "Haare gerauft" hast, weil sie schwierig waren oder gar ein Eigenleben entwickelten?

Ja, das ist für mich auf jeden Fall wichtig. Ich wünsche mir, dass meine Leser und Leserinnen in die Gedankenwelt meiner Figuren eintauchen und verstehen, woher sie kommen, was ihr Handeln vorantreibt, und ihre Gefühlswelt bestimmt. Und das auch bei den weniger sympathischen Charakteren. Dass sie deren Entscheidungen immer mittragen müssen, würde ich allerdings nicht erwarten. Für mich selbst sind dabei Figuren wie der Stasi-Offizier Saalfeld oder ein Agent wie Golo beim Schreiben ein bisschen ambivalent. Aus ihrer Perspektive zu erzählen ist manchmal zwar eine Herausforderung, aber die Auseinandersetzung mit solchen Charakteren ist gleichzeitig auch sehr spannend. Ich mag sie vielleicht nicht, aber aus ihrer Perspektive ist ihr Verhalten ja durchaus logisch und konsequent.

Zu guter Letzt sei mir die Frage gestattet, ob du bereits eine Idee für eine neue Geschichte hast und uns dazu etwas verraten magst? Wie sieht dein Schreiballtag aus, und was macht dir dabei vor allem Freunde. Und wie gelingt es dir, Momente der Schreibunlust zu überwinden?

Ich habe gerade erst angefangen für einen neuen Stoff zu recherchieren. Insofern ist es noch etwas früh, aber ich kann so viel verraten, dass der nächste Roman in den vierziger und fünfziger Jahren spielen soll. Was meinen Schreiballtag angeht – er ähnelt einem normalen Arbeitstag. Ich bin allerdings bedingt durch den Beruf meines Mannes viel auf Reisen, was für mich immer eine großartige Inspiration ist. Mein Schreib-und Arbeitstisch befindet sich deshalb oft in wechselnder Umgebung. An meiner Arbeit macht mir eigentlich fast alles Spaß. Ich liebe das Schreiben und bin sehr dankbar, dass ich es zu meinem Beruf machen konnte. Nur das viele Sitzen mag ich nicht so sehr. Wenn ich das Gefühl habe, mit dem Text nicht weiterzukommen - es gibt beim Schreiben ja diese Momente, in denen man einen Satz oder Absatz zigmal ändert und er einfach nicht stimmen will - dann gehe ich deshalb auch raus, um mich zu bewegen oder Sport zu treiben. Das hilft glücklicherweise fast immer.

Liebe Claire, nochmals Danke schön für die Beantwortung der Fragen.


Sechs Jahre nach dem Mauerbau lernt die erfolgreiche Dolmetscherin Emma in West-Berlin die aus dem Ostteil der Stadt geflohene Sängerin Irma Assmann kennen. Als sie ihrer Zwillingsschwester Alice davon erzählt, reagiert diese beunruhigt. Alice schreibt als Journalistin über die Studentenbewegung und steht in Kontakt mit verschiedenen Fluchthilfe-Organisationen. Ist Irma mit ihren ehemaligen Beziehungen zum KGB als Informantin im Westen? Oder sind die Schwestern und deren Männer Julius und Max durch ihre Verbindungen zur DDR zu Zielscheiben geworden? Kurz darauf wird die Sängerin ermordet, und die vier geraten inmitten der Studentenunruhen zwischen die Fronten der Geheimdienste. (Quelle: Verlag)

*Werbung*
Erschienen ist der Roman im Diana Verlag. Ich danke Corinna Schindler Pressebüro für die Vermittlung.

Montag, 21. November 2022

Winterwunderland



Über Nacht hat es geschneit, und ich habe heute früh vor der Fahrt zur Arbeit noch ein paar Fotos gemacht. Lange wird die weiße Pracht wohl nicht halten. Aber hübsch sieht es allemal aus ...


Montag, 24. Oktober 2022

Drei Tage im Aller-Leine-Tal - Tag 3: Die Bewertung

Es gibt wirklich schöne Landstriche in Deutschland, die eine Entdeckung und Erkundung wert sind. Auch wenn dort gemordet wird.

„Aller-Wolf“ ist ein Beispiel dafür, ein gelungenes noch dazu. Bettina Reimann präsentiert uns in ihrem Regionalkrimi mit anschaulichen und detailgenauen Beschreibungen ihre niedersächsische Heimat und das zum Teil auf besondere Weise, nämlich beim sogenannten Geochaching. Nicht nur die Beschäftigung mit dem Suchspiel, bei dem mittels Smartphone oder GPS-Gerät in einem unbekannten Gelände ein Cache, quasi ein „Schatz“ gefunden werden muss, erweist sich als hilfreich bei der Recherche zum Verbleib von drei verschwundenen Frauen.

Für die Ermittlungsarbeit hat sich die Autorin mit den Kamphusens eine Familie ausgesucht, bei der es ihr ausgezeichnet gelingt, für die drei Protagonisten aus drei Generationen von Anfang an Sympathie zu wecken. Enkelin und Bloggerin Flora, ihre Mutter und Restaurantchefin Anna und Großvater Carsten, Kriminalhauptkommissar im Ruhestand, agieren Hand in Hand, und jeder trägt auf seine Art dazu bei, das Rätsel um den Aller-Wolf zu lösen.

Das Krimidebüt von Bettina Reimann ist im Wesentlichen ruhig erzählt und wohltuend unblutig und kommt ohne große Grausamkeit aus, obwohl es natürlich tödliche Ereignisse beinhaltet. Die Autorin offenbart menschliche Abgründe, die durch das Versagen Einzelner über Jahre hinweg andauern, nicht überwunden werden und zu Verletzungen führen, die sich dann „entladen“.

In diesem Zusammenhang punktet sie mit einem Wechselspiel aus Gegenwart und Vergangenheit, die Einblicke in die Handlungen und in die Seele des Täters und mithin seine Motivation gestatten. Zugleich legt sie wiederholt neue Spuren, erhöht hierdurch den Spannungsbogen und weckt den Wunsch, das Geschehen und die Ursachen zu ergründen. Bis zum folgerichtigen Ende ...

*Werbung*
Der Kriminalroman ist im Gmeiner Verlag erschienen.


"Wo bin ich hier gelandet? Malerische Dörfer und dazwischen nur Friede, Freude, Spargelbauern." Die junge Bloggerin Flora Kamphusen hat das Aller-Leine-Tal unterschätzt: Kaum hat sie diesen Satz ausgesprochen, wird sie mit einem Geheimnis konfrontiert, das eng mit ihrer Familie zusammenhängt. Drei Frauen sind verschwunden. Etwa, weil Geschehnisse aus ihrer Schulzeit bei einem Klassentreffen ans Licht kamen? Mit ihrem Großvater Carsten, Kriminalhauptkommissar im Ruhestand, und ihrer Mutter Anna sucht Flora die Wahrheit und gerät in Gefahr, denn der „Aller-Wolf“ hat seine Schande nie vergessen. (Quelle: Verlag)

Ich danke der Autorin für die Vermittlung des Rezensionsexemplars.

Sonntag, 23. Oktober 2022

Drei Tage im Aller-Leine-Tal - Tag 2: Die Geschichte

Flora Kamphausen ist zu Besuch auf dem idyllisch am Waldrand gelegenen Gutshof ihrer Eltern, die dort ein Restaurant betreiben. Sie gönnt sich in ihrer Heimat eine Auszeit von ihrer Hannoveraner Studenten-WG.

Die junge Frau führt neben ihrem Studium und ihrer Arbeit als freie Mitarbeiterin der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung einen Newsblog. Aber die Sache mit der Selbständigkeit im Onlinejournalismus ist komplizierter als sie es vorstellt hat, denn ihr Blog www.aller-lei-online.de, mit dem sie über und für das ländliche Aller-Leine-Tal berichtet, bekommt nicht genügend Zugriffe, was wahrscheinlich daran liegt, dass in der weitläufigen Landschaft zwischen Schwarmstedt, Nienburg, Walsrode und den südlichen Ausläufern der Lüneburger Heide nichts Spektakuläres passiert.

Doch das ändert sich, als jemand telefonisch nach Floras Tante Helene Blume fragt. Diese soll nach ihrer Scheidung im Jahr 2015 ins Ausland verzogen sein, und seitdem existiert es von ihr kein wirkliches Lebenszeichen. Die Anruferin, Katrin Harms, sucht nach ihrer verschwundenen Mutter, Vivian, die 2013 vom Joggen nicht zurückkehrte. Das Interessante: Helene und Vivian waren zu Schulzeiten Freundinnen. Und es stellt sich heraus, dass auch die Dritte im Bunde – Corinna Stadler – seit 2014 vermisst wird.

Ist den Frauen, die einst als Beauty, Smarty und Sporty ein unzertrennliches Trio bildeten, etwas zugestoßen?

Flora begibt sich auf die Suche und beginnt mit Hilfe ihres Großvaters Carsten, eines ehemaligen Kriminalhauptkommissars, der als Pensionär inzwischen seine Kraft in die Ahnenforschung steckt, und ihrer Mutter Anna den Verbleib der Frauen zu ergründen. Was nicht ohne Ergebnis bleibt.

Allerdings verfolgt nicht nur die Ermittlerfamilie die Spuren. Auch der „Aller-Wolf“ hat Witterung aufgenommen und legt sich auf die Lauer ...


Im Roman spielt das Geochaching ein große Rolle. Für alle, die damit noch nicht in Berührung gekommen sind, biete ich hier eine kleine Einführung:

Im Grunde ist Geochaching ein Suchspiel, dessen Ziel es ist, mit Hilfe eines Smartphones oder GPS-Geräts in einem unbekannten Gelände ein Versteck aufzuspüren, quasi einen „Schatz“ zu finden. Der „Cache“ ist in der Regel ein kleiner Behälter mit einem Logbuch und häufig auch mit einem Geschenk. Wer mag, trägt sich in das Buch ein, nimmt das Präsent als Andenken mit und hinterlässt gleichzeitig eine andere Gabe für den nächsten Geochacher.

Auf entsprechenden Portalen werden die in verschiedene Kategorien eingestuften Caches beschrieben. So erfahren Suchende im Vorfeld etwas über die Größe, das Gelände und die Schwierigkeit, ihn zu entdecken. Außerdem gibt es meist hilfreiche Tipps für die Suche.

Traditionelle Geocaches bestehen aus nur einer Station und sind deshalb besonders für Anfänger zu empfehlen. Die nächste Stufe sind "Multis", die an der ersten Station Hinweise auf einen oder mehrere weitere Stationen enthalten. Für die Knobelfreunde werden Rätsel- oder Mystery-Caches angeboten, bei denen ein Rätsel gelöst werden muss, bevor der eigentliche Cache gefunden werden kann. Zu guter Letzt seien auch die beliebten Nachtcaches erwähnt: Mit Taschenlampen mit Reflektoren wird markierten Strecken gefolgt und damit "Lost Places", die für verlassene Gebäude oder Orte stehen ...

*Werbung*
Der Kriminalroman ist im Gmeiner Verlag erschienen.

Samstag, 22. Oktober 2022

Drei Tage im Aller-Leine-Tal - Tag 1: Der Ort des Geschehens

Heute lade ich euch ein, mich wieder einmal drei Tage lang zu begleiten.

Südlich der Lüneburger Heide liegt im Städtedreieck zwischen Hannover, Hamburg und Bremen eine malerische Flusslandschaft. Das Aller-Leine-Tal. Dieses hat sich Bettina Reimann als Ort des Geschehens für ihren Kriminalroman „Aller-Wolf“ ausgewählt. 

Das Urstromtal der Flüsse Aller und Leine bietet nicht nur ein anziehendes Gebiet einer vielfältigen Pflanzen- und Tierwelt.

Hier wechseln sich farbenprächtige Heideflächen und Heidelbeerplantagen ab mit Fachwerkhäusern, Fähren und Schleusen sowie alte Mühlen und Kirchen.

Daneben laden 100 Kilometer Radwege und 60 Kilometer Regionalschleifen durch Moore, Wiesen und Wälder ein, die Gegend zu erkunden.


Bemerkenswert ist die Anzahl der Weißstörche, die hier jedes Jahr eine Heimat finden, wenn sie zur Brutzeit aus dem Süden zurückkehren. Fast jeder Ort der Region besitzt ein Storchennest.


Wenn nicht gerade gemordet wird, offerieren sich die Bewohner des Aller-Leine-Tals als herzliche und gastfreundlichen Zeitgenossen und beweisen, dass ihre Heimat ein perfektes Ferienziel ist, in der Erholung, Natur und Abenteuer verknüpft werden können.


*Werbung*

Der Kriminalroman ist im Gmeiner Verlag erschienen.


"Wo bin ich hier gelandet? Malerische Dörfer und dazwischen nur Friede, Freude, Spargelbauern." Die junge Bloggerin Flora Kamphusen hat das Aller-Leine-Tal unterschätzt: Kaum hat sie diesen Satz ausgesprochen, wird sie mit einem Geheimnis konfrontiert, das eng mit ihrer Familie zusammenhängt. Drei Frauen sind verschwunden. Etwa, weil Geschehnisse aus ihrer Schulzeit bei einem Klassentreffen ans Licht kamen? Mit ihrem Großvater Carsten, Kriminalhauptkommissar im Ruhestand, und ihrer Mutter Anna sucht Flora die Wahrheit und gerät in Gefahr, denn der „Aller-Wolf“ hat seine Schande nie vergessen. (Quelle: Verlag)

Ich danke der Autorin für die Bereitstellung der Fotos.