Dienstag, 10. Februar 2015

Eine (Zeit)Reise nach Kastilien

Isaura, eine deutsche Journalistin, hat ihr Leben lang schon Visionen und Träume, in denen sie fremden Gestalten aus vergangener Zeit begegnet. Bislang sträubt sie sich allerdings, sich damit intensiv auseinanderzusetzen. Vielmehr ist sie mit der Frage beschäftigt, ob sie, nachdem sie von ihrer spanischen Großtante ein kleines Anwesen geerbt und sich von ihrem Ehemann nach dessen Untreue getrennt hat, ihren Lebensmittelpunkt ganz nach Kastilien verlegen soll. Denn da gibt es den Arzt Marco, der für sie tiefe Gefühle hegt, die sie - noch etwas unsicher - erwidert. Als sie mit ihm auf eine Reise geht, um für einen lange fälligen Artikel zu recherchieren, häufen sich die unerklärlichen Ereignisse, bis sie mit einem tragischen Unfall enden: Bei der Erkundung des jahrhundertealten Palastes in Cordoba "sieht" sich Isaura von einem Mann bedrängt, stürzt von einer Balustrade in die Tiefe und verliert das Bewusstsein. Nach ihrem Erwachen muss sie erschreckt feststellen, dass sie sich nunmehr in einer anderen Zeit befindet, nämlich im 15. Jahrhundert. Als Hofdame Teresa lebt sie am Hof der Königin Isabel von Kastilien. Gibt es für sie die Möglichkeit, in die Gegenwart und damit zu Marco zurückzukehren?

Wie bereits im ersten Roman der Triologie, "Das kastilische Erbe", erzählt Ulrike Schweikert auch in "Das Vermächtnis von Granada" die Geschichte abwechselnd auf zwei Zeitebenen.

In der Gegenwart erhält der Leser Einblick in das Leben von Isaura, die von Visionen verfolgt wird und mit Marco nach bitterer Enttäuschung eine neue Liebe gefunden hat. Während sie im Koma liegt, begibt sich ihre Seele auf eine Wanderung in die Vergangenheit.

Im Mittelpunkt des historischen Teils steht das kastilische Königreich in den Jahren von 1476 bis 1504. Isabel von Kastilien ist seit zwei Jahren Königin und hat den Anspruch auf die Krone gegen ihre Nichte Juana La Beltraneja gesichert und kann sich nun der inneren Befriedung des Reiches, unter anderem durch die Einführung der Santa Hermandad, einer Polizei- und Militärorganisation, widmen.

Die Jahre sind daneben geprägt von der Wiedererrichtung der Inquisition unter königlicher Kontrolle und dem entschlossenen Vorgehen gegen bekehrte Juden, die im Verdacht stehen, insgeheim noch ihrem früheren Glauben anzuhängen. Außerdem betreibt Isabel planmäßig die Rückeroberung des letzten muslimischen Reiches der Halbinsel. 1491/1492 fällt Granada, die Reconquista ("Rückeroberung") ist beendet. Tausende Muslimen verlassen das Land. Ebenso werden die Juden erfolgreich vertrieben. Beides bedeutet sowohl einen wirtschaftlichen als auch künstlerischen Aderlass.

Ulrike Schweikert liefert eine Fülle an historischem Hintergrund, beschränkt sich jedoch auf wesentliche Ereignisse und weiß diese für den Leser fesselnd aufzubereiten, ohne ihn zu überfordern. Gleiches gilt für die Einführung historisch belegter Personen. Insgesamt entsteht so ein farbenprächtiges Bild einer Zeit, die mit der brutalen Verfolgung und Vertreibung von muslimischen und jüdischen Menschen im Namen des katholischen Glaubens einen grausamen Höhepunkt aufweist.  

Ulrike Schweikert ist eine ausgezeichnete Erzählerin. Sie schildert überzeugend, lebendig, bildreich und emotional menschliche Schicksale, schafft glaubwürdige Figuren.

Allen voran beeindruckt Isaura mit ihrer Fähigkeit und ihrem Willen, sich in der Vergangenheit der neuen Situation zu stellen, gleichwohl nicht alles hinzunehmen. Zwischen Hoffen und Bangen versucht sie, ihren Weg auch im kastilischen Königreich zu finden. An ihrer Seite steht eine bemerkenswerte Person: Jimena, deren im "Kastilischen Erbe" begonnene Geschichte nunmehr hier seine Fortsetzung erfährt. Ihr lebhaftes, freimütiges und aufrichtiges Wesen nimmt den Leser von Beginn an für sie ein. Nicht zu vergessen: Isabel von Kastilien. Sie ist eine energische Frau, gebildet und intelligent, tatkräftig, hat Rückgrat und einen festen Willen. Sie kann ausgezeichnet reiten, was ihr bei den vielen Reisen durch das Land zugute kommt. Zwischen Königin und Hofdamen herrscht ein sehr persönlicher, ja freundschaftlicher Umgang. Isabel ist offen gegenüber Meinungen, die auch Bedenken enthalten und zur Mäßigung raten, nur in der Frage des christlichen Glaubens erscheint sie unnachsichtig. Trotz dieser Widersprüchlichkeit hat sie eine außerordentliche Präsenz, der man sich schwerlich zu entziehen vermag.

In der Gegenwart überzeugt Marco besonders durch seinen Zwiespalt, neben wissenschaftlich Belegbarem auch Unerklärliches zuzulassen. Die Seelenwanderung wird im Großen und Ganzen plausibel und nachvollziehbar geschildert, so dass es dem Leser leicht fällt, sich diesem fantastischen Element zu öffnen.


Das Erscheinungsbild des Buches ist äußerst gelungen. Nicht nur das Cover punktet mit einem passenden Blick auf die Alhambra von Granada. Auch die Karte der iberischen Halbinsel um 1480, ein umfangreiches Personenregister und ein geschichtlicher Abriss runden das Lesevergnügen ab. Erwähnt sei, dass "Das Vermächtnis von Granada" durchaus unabhängig vom Vorgängerroman "Das kastilische Erbe" gelesen werden kann und auf Grund seiner tiefgründigen Darstellung der Geschichte und ihrer Protagonisten die Vorfreude auf den Abschluss der Trilogie erhöht.

4,5 Sterne

6 Kommentare:

  1. Das klingt ja wie ein richtig gutes Buch für Historienfans.
    LG aus dem Norden

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  2. Liebe Anke,
    das ist ja eine super ausführliche Buchvorstellung von dir:) Irgendwie hab ich zur Zeit gar keine Lust zum Lesen und nutze meine Freizeit lieber zum Stricken oder so. Trotzdem notier ich mir mal den Titel...irgendwann werd ich wieder Lesen wollen, und daher freu ich mich über deine Beschreibung...:)
    Viele liebe Grüße, Anke

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  3. Liebe Anke,
    du machst mich neugierig. Die Trilogie steht auf meiner Liste.
    Danke fürs Vorstellen.
    Einen schönen Abend wünscht dir
    Irmi

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  4. Da bist Du ja wieder, liebe Anke. Lange nichts von Dir gehört.
    Tja, ich lese derzeit auch viel, allerdings vorhandene Werke, in die ich hineinschaue, da ich etliche Bücher fortgebe und immer mal wieder querlese. Das Haus wird sonst zu voll. Ich will lieber wieder mehr die Bibliotheken beehren.

    Liebe Grüße, alles Liebe
    Sara

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  5. Danke für den Tipp. Habe schon lange keine historischen Romane mehr gelesen, weil sie mir alle zu ähnlich waren. Aber bei dem werde ich mal wieder reinschmökern.
    LG Donna G.

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  6. Hallo, ich habe die beiden ersten Teile der La Caminata-Romane gelesen und warte sehnsüchtig auf den 3.Teil!! Kann mir jemand sagen, wann dieser Teil erscheinen wird? Danke schon einmal.....

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