Siggi
soll einmal so ein Held werden wie seine berühmten Eltern Kriemhild
und Siegfried. Darum schicken diese ihn auf die gerade gegründete
Heldenschule „Burg Tollkühn“. Siggi ahnt Schlimmes, denn im
Grunde seines Herzens will er gar kein Held werden. Nicht nur weil er
für seine elf Jahre ziemlich klein und mager und zudem schüchtern
und vorsichtig ist. Waffen mag er nicht besonders, Blut kann er ebenso nicht sehen. Und außerdem mangelt es ihm an Mut. Nicht zu vergessen
plagen ihn viele Ängste: Er fürchtet sich vor Spinnen und Mäusen
und auch vor der Höhe.
Aber
Siggi beißt in den sauren Apfel und lernt die anderen Schüler
kennen. Mit seiner liebenswerten Art findet er in Amazone Brünhild
und Elf Filas schnell Freunde. Zwergin Tulga gnießt er mit Vorsicht.
Angeber Hagen geht er aus dem Weg.
Die
Schuldstunden haben es in sich. Richtig
unerschrocken wird Siggi dadurch immer noch nicht. Dann allerdings begegnet er
Wulfrik dem Tollkühnen, genauer seinem Geist. Der
ehemalige Burgherr gibt ihm einen Tipp: Hätte er das magische
Amulett von Courago, würde er eine Extraportion Mut erhalten und vor
keiner Herausforderung mehr zurückschrecken. Tatsächlich hält Siggi kurze Zeit später das Amulett in den Händen und startet mit einigen
Schulkameraden furchtlos eine Außenmission. Bis an die Oberkante seiner
Haarspitzen gefüllt mit Mut. Doch so ungefährlich wie es anfangs
scheint, ist ihr Abenteuer nicht...
Um
es gleich vorweg zu nehmen. „Burg Tollkühn“ lebt von der
Symbiose, die Autor Andreas Völlinger und Illustrator Zapf
eingegangen sind.
Von
Anfang wird der Leser in die Geschichte gezogen und dank des Tempos,
das mit jedem Kapitel zulegt, und des steigenden Spannungsbogens,
kommen überhaupt keine Langeweile auf.
Der
Autor nimmt geschickt und auf heitere Weise das Thema
„Heldenmythologie“ auf die Schippe. Seine Idee ist originell und
fantasievoll mit einer Prise Magie, sein Schreibstil frisch und
kurzweilig. Andreas Völlinger setzt auf kurze, prägnante
Beschreibungen und überfordert nicht mit ellenlangen Szenen. Die
Schauplätze des Geschehens sind gut vorstellbar, und zügige
Wechsel, jede Menge Aktion, überraschende Wendungen sorgen für
ordentlich Leben in der Bude Burg. So lässt sich
das Buch nicht allein für Kinder ab acht Jahren prima lesen, sondern
unterhält auch Erwachsene.
Nicht
nur die Lehrer auf Burg Tollkühn, die Heldentruppe in spe ist ebenfalls bunt gemischt und zeigt unterschiedliche Charaktere mit Stärken und
Schwächen. Da sind der ängstliche Siggi, die ehrgeizige Brünhild,
der gedankenlose Filas, der schwertkämpferische Gunnar und Dramaking
Damian. Natürlich fehlt mit Hagen ein Angeber und Stänkerfritze
nicht. Und auch ein Haudrauf ist darunter: Zwergin Tulga darf
aufbrausend und kampflustig sein.
Der
Aufbau des Buches ist ausgezeichnet. Bereits in der Innenseite des
Einbandes werden die „Helden“ mit ihren differenzierten Eigenschaften und Fertigkeiten vorgestellt. Zapf liefert
schwarz-weiße,
in
ihrer Gestaltung ausdrucksstarke
Illustrationen. Seine
individuelle Gestaltung passt
wie die Faust aufs Auge zu der jeweils beschriebenen Figur.
Und
ganz nebenbei vermittelt der Autor auch noch eine Botschaft: Dass uns
unsere Fähigkeiten und Eigenschaften zu außergewöhnlichen Helden machen.
Dass wir maßvoll damit umgehen sollten. Dass wir unsere Ängste im
Auge behalten, uns indes nicht von ihnen niederringen lassen und
ihnen entgegenstehen. Dass wir aber letzten Ende nichts ohne die
Freundschaft und den Zusammenhalt einer Gemeinschaft sind.
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Die
Heldenschüler auf Burg Tollkühn sind im Alltag angekommen, als
dieser mit dem Auftauchen eines weiteren Schülers frischen Wind
erhält. Den Neuen hatten die Freunde Siggi, Brünhild und Filas
bereits im Wald kennengelernt, als sie während der Heilkräutersuche
vor einem wütenden Schrat fliehen und genau in jener Kutsche
rettenden Unterschlupf finden, die den Heldenanwärter zur Schule
bringt. Jago ist freundlichen zu jedermann, keiner kann sich seinem
Charme entziehen. Nur Siggi traut ihm nicht über den Weg. Ist das vielleicht Eifersucht, die sich in ihm regt, weil Jago über ein
reichhaltiges Monsterwissen verfügt und mit einem Talent zum
Erzählen punktet?
Besonders
nachdem auf Burg Tollkühn einige merkwürdige Dinge passieren: Ein
Monsterskelett wird im Unterrichtsraum für Monster und Kreaturen
zerstört, des Nachts ein Lehrer überfallen, und es verschwinden
Gegenstände. Ein Höhlenschreck sucht die Burg heim. Und zu guter
Letzt wird Schulmaskottchen Fafnir vermisst.
Hierdurch
erhärtet sich Siggis Verdacht, dass sein Konkurrent
etwas damit zu tun hat. Da seine Freunde allerdings von dem neuen
Mitschüler ziemlich angetan sind, findet er bei ihnen nicht die erhoffte
Unterstützung, Jago als vermeintlichen Verursacher des Übels zu
entlarven.
Wobei
es gerade jetzt wichtig ist, dass auf der Schule alles reibungslos läuft. Hoher Besuch hat sich angesagt. Baron Frando von Trutz
reist zur Schule, die mit seiner großzügigen Förderung
eröffnet werden konnte.
Deshalb
nimmt Siggi im Alleingang die Ermittlungen auf. Als er in Jagos
Zimmer auf einen Kettenanhänger mit einem unbekannten Wappen stößt
und dieses dann in einem Heldenlexikon bemerkt, scheint das
Geheimnis um Jago gelöst. Nur dass das Wappen nicht zu einer
Heldenfamilie gehört, wie Jago alle glauben machen wollte...
Im
Folgeband der Burg-Tollkühn-Reihe „Verrat auf der Heldenschule“
bleibt Andreas Völlinger seinem humorvollen Erzählton treu und
führt seine kleinen Helden einfühlsam mitten hinein in ein
aufregendes Abenteuer. Dabei ist der Wiedererkennungswert von Anfang
an hoch, denn der Autor setzt seine Helden in einer stimmigen Kulisse
und ihrem Typ entsprechend in Szene. Wenn der tollpatschige Elf Filas
einem Waldschrat versehentlich ein paar Haare ausreißt, weil er die
für das gesuchte Heilkraut namens Elfengras hält, und der Schrat
das nicht einfach so hinnehmen will und die Verfolgung aufnimmt, ist
das Schmunzeln über diesen lustigen Moment gesichert.
Dieses
Mal wartet ein bedrohliches Geschehen auf Siggi und seine Freunde.
Außerdem wird es mysteriös und rätselhaft, so dass vielfältige
Ereignisse und verblüffende Überraschungen den Leser mitreißen,
erstaunen und erfreuen.
Während
Jago frischen Wind in die Geschichte bringt, steht zwar erneut Siggi
im Mittelpunkt und kämpft nicht nur mit seiner dezenten Tapferkeit,
sondern zudem mit seiner Eifersucht. Es ist aber jederzeit klar,
dass er nicht allein das Rätsel nicht lösen und die Gefahr nicht
abzuwenden vermag. Ohne seine Freunde kann auch Siggi kein Held sein.
Andreas
Völlinger vermittelt, wie wichtig Zusammenhalt und Freundschaft in
einer Gemeinschaft sind, wenn man etwas erreichen will. Es bereitet Freude, Mädchen und Jungen zu beobachten und zu begleiten. Der Autor
hat seine Figuren detailliert ausgearbeitet. Sie sind mit ihren
besonderen Fähigkeiten und ebensolchen Macken sehr authentisch und
sympathisch und unterscheiden sich im Grunde kaum von realen Helden
der Gegenwart. Möglicherweise entdeckt sich der eine oder andere junge
Leser sogar.
Neben
Siggi und Jago haben alle (weniger und mehr geschätzten) Schüler
ihren Auftritt: Isolde darf wieder die Ohren mit ihrem
fürchterlich-schönen Gesang strapazieren, Hagen mit seinen
gehässigen Bemerkungen nerven, Filas unbeholfen durch den Wald
laufen, Tulga aufbrausen, Brünhild eifrig und Damian von gestorbenen Helden fasziniert sein.
„Burg
Tollkühn. Verrat auf der Heldenschule“ wäre natürlich nichts
ohne die genialen Zapf-Illustrationen. Abermals krönen sie die
Geschichte mit ihrem signifikanten Stil und vervollständigen die
feinen Nuancen der Handlung und tragen zu einem heldenhaften
(Lese)Abenteuer bei.