Samstag, 27. August 2022

Blogtour HOMER Historische Literatur 2022 - Krone des Himmels - Interview mit der Autorin

 

Wir nähern uns in riesigen Schritten der Preisverleihung für den HOMER 2022. Die Autorin Juliane Stadler, deren Debütroman ich hier vorstellen durfte, hat mir ein paar Fragen beantwortet:
 
Was meinst du macht die Faszination des Mittelalters für LeserInnen aus?
 
Das Mittelalter ist eine Epoche, die einerseits weit weg ist, aber gleichzeitig noch sehr stark in unsere Zeit hineinreicht, sei es in Form von historischen Zeugnissen, Bauwerken bzw. Ruinen oder auch Ereignissen, die bis heute Auswirkungen auf unsere Gesellschaft haben (Grenzziehungen, Sprache, Adelsgeschlechter …). Das schafft eine Verbindung, die sicher bei vielen Neugier hervorruft. Dazu kommt, dass wir durch Urkunden und Chroniken sehr gute Einblicke in die Geschehnisse dieser Zeit haben und es möglich ist, einzigartige Schicksale und Persönlichkeiten zu rekonstruieren und nachzuverfolgen. Womöglich befeuert auch eine romantische, etwas verklärte Vorstellung von der Zeit der Ritter, Burgen und Kathedralen die Faszination.
 
Warum hast du dich dafür entschieden, die Geschichte im Dritten Kreuzzug spielen zu lassen? Was ist das Besondere dieses Kreuzzuges?
 
Die dramatische Zeit der Kreuzzüge eignet sich hervorragend, um viele auch heute noch wichtige gesellschaftliche Themen im Zusammenhang mit Religion, Politik, Krieg oder Kulturaustausch in Romanform zu verhandeln und aktuelle Bezüge herzustellen.
Dazu kommt, dass besonders der sog. Dritte Kreuzzug sehr gut dokumentiert ist, also sehr viel historisch belegtes Material bereithält und allein schon durch die Beteiligung großer Kriegerfürsten wie Barbarossa, Löwenherz oder Saladin eine faszinierende und farbenprächtige Kulisse bildet.
 
 
Über welchen Zeitraum hin hast du recherchiert, und wie lange dauerte die eigentliche Schreibzeit?
 
Die Zeit der Recherche lässt sich gar nicht so genau bemessen, da mich der ganze Themenkomplex schon immer interessierte und ich mich lange vor dem Roman intensiv damit beschäftigt habe. Ich konnte also schon auf ein solides Wissensfundament aufbauen, als ich mit dem Schreiben anfing. Vor allem zu Spezialthemen wie Medizin oder Kriegstechnik oder den Biographien der historischen Persönlichkeiten habe ich dann allerdings noch einmal genauer nachgeforscht. Die Recherche vor Ort z.B. entlang der Kreuzzugsroute Barbarossas konnte ich zum Teil mit meinem eigentlichen Beruf als Archäologin und den Reisen zu Ausgrabungsstätten im Vorderen Orient verbinden. Und so hat sich dann nach und nach ein sehr konkretes Bild von den Ereignissen ergeben, das mir als Arbeitsgrundlage diente.
Bis ich ein Ende unter das Manuskript setzen konnte, hat es ziemlich genau fünf Jahre gedauert, was aber auch damit zusammenhängt, dass ich neben meinem Brotberuf und der Betreuung meiner Kinder immer nur wenig Schreibzeit freischaufeln konnte. 
 
Der Kampfverlauf ist wahrscheinlich dokumentiert, aber wo hast du Material gefunden für das Leben in einem Heer dieser Zeit?
 
Auch dazu finden sich in den historischen Quellen, den christlichen und islamischen Chroniken über die Kreuzzüge, tatsächlich viele Details. Man erfährt dort u.a. von Hunger und Seuchen, von der Organisation eines Militärlagers oder den Strapazen auf dem Marsch und von (freundschaftlichen) Begegnungen zwischen den Kriegsparteien. Archäologische und anthropologische Funde ergänzen das Bild.
 
Gab es Probleme bei der Einbindung der historischen Persönlichkeiten? Wenn ja, welche?
 
Die historische Handlung bildet ja den festen Rahmen der Geschichte, es ging also mehr darum die fiktiven Figuren glaubwürdig einzufügen. Und wie bereits erwähnt, ist der Dritte Kreuzzug hervorragend aus unterschiedlichen Perspektiven dokumentiert, sodass man ziemlich genau weiß, wer was wann getan hat. Die Ausarbeitung der historisch belegten Charaktere, sie authentisch, plausibel und menschlich auftreten zu lassen, war dann natürlich meine Aufgabe, aber auch hier dienten die Informationen aus den Originalquellen als Richtschnur.
 
Stell dir vor, du hast die Möglichkeit, Richard Löwenherz und Philipp von Frankreich jeweils eine Frage zu stellen. Welche wären das?
 
Ich hätte eine Frage an beide: Was war wirklich der Auslöser, warum ihr euch dermaßen verkracht habt und aus Verbündeten so erbitterte Feinde wurden?
 
Haben sich im Verlaufe des Geschehens Figuren anders entwickelt als du es am Anfang geplant hast?
 
Natürlich hat man zu Beginn des Projekts schon eine konkrete Vorstellung von seinen Protagonist*innen, aber ich glaube, es ist nicht ungewöhnlich, dass man sie erst während des Schreibprozesses so richtig kennenlernt, in der Interaktion mit anderen Figuren, in der Konfrontation mit bestimmten Situationen usw. Da kann sich dann schon noch die ein oder andere Veränderung ergeben, aber meist betrifft das dann keine grundlegenden Aspekte mehr. Mir ist es allerdings schon passiert, dass Personen, die als unbedeutende Nebenfiguren geplant waren, sich verselbständigen, mir ans Herz wachsen und plötzlich viel mehr Raum einnehmen. Gallus in „Krone des Himmels“ ist so ein Fall.
 
Wer gehört du deinen Lieblingsfiguren und warum?
 
Von den fiktiven Figuren ist der Wundarzt Caspar mein Liebling. Seine Ehrlichkeit bis hin zum Zynismus, seine brummige Herzlichkeit und seine klare Sicht der Dinge mag ich sehr.
Viel Sympathie empfinde ich auch für die historische Figur des Statthalters Karakush, der auf verlorenem Posten kämpft, loyal und treu handelt und hart durchgreift, aber gleichzeitig auch sehr nahbar und menschlich ist.
 
Worauf können wir uns nach deinem Debüt als historische Romanautorin als Nächstes freuen?
 
Ich arbeite an einem weiteren historischen Roman, der ebenfalls im 12. Jahrhundert spielt, ein paar Jahre vor dem Dritten Kreuzzug. Es geht um einen König ohne Königreich, das Haifischbecken des anglo-normannischen Hofes, Turniere, Troubadoure und Intrigen sowie einen blutigen Bruderkrieg.
 
Wer oder was kann dir einen anstrengenden Recherche- oder Schreibtag "versüßen"?
 
Definitiv Nougatschokolade, entspannte Zeit mit meiner Familie oder (schreibenden) Freund*innen, ein Spaziergang im Grünen und später, wenn das Buch erschienen ist, positives Feedback der Lesenden.

Liebe Juliane, ich danke herzlich für die Zeit, die du dir für die Beantwortung meiner Fragen genommen hast.


Juliane Stadler gewährt euch einen Einblick in ihr Buch und liest hier aus ihrem historischen Roman.

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