Mit
„Kinder des Aufbruchs“ setzt Claire Winter die in „Kinder ihrer
Zeit“ begonnene Geschichte der Zwillinge Emma und Alice fort.
Wie
ihre Schwester hat nun auch Alice nach ihrer Flucht in den Westen in
Berlin ein neues Zuhause gefunden. Beide arbeiten und haben sich mit
ihren Ehemännern Julius und Max sowie Tochter Lisa ein Leben
aufgebaut. Doch nicht nur der unerfüllte Kinderwunsch von Emma macht
ihr zu schaffen. Es sind auch Geheimnisse aller Beteiligten, mit der
die Autorin die Leser zu fesseln vermag. Hinzu kommt ein Mord, bei
dem fast schon kriminalistischer Spürsinn gefragt ist.
Insgesamt
präsentiert Claire Winter eine wendungsreiche Handlung, mit der es
ihr in bemerkenswert authentischer Weise gelingt, die politische
Situation und die Lebenssituation der Menschen darzustellen.
Glaubwürdig
erzählt sie unter Verwendung von wechselnden Perspektiven im
Spannungsfeld des nach dem Mauerbaus schwelenden Ost-West-Konflikts
auch von der Aufbruchstimmung in der Bundesrepublik, wo entgegen der
im Grundgesetz formulierten Grundrechte eine andere Realität
offensichtlich ist: nach wie vor bestehen nicht nur eine Bevormundung
im Geschlechterverhältnis, sondern außerdem soziale Ungerechtigkeiten
und Ungleichheiten.
Insbesondere
die Studenten wollen sich nicht mehr mit dem Althergebrachten
zufrieden geben und gehen für einen grundlegenden Wandel der
Gesellschaft auf die Straße. Außerdem thematisiert die Autorin die
gefährliche Arbeit der Fluchthilfe-Organisationen, den
Gefangenenaustausch zwischen den beiden deutschen Staaten. Nicht
zuletzt haben Angehörige der Geheimdienste durchaus fragwürdige
Auftritte.
Die
lobenswert intensive Recherche der Autorin zahlt sich aus. Ihre
umfangreiche Schilderung der damaligen Umstände und tatsächlichen
Ereignisse sowie die Einbindung historischer Personen bietet ein
anschauliches Kaleidoskop und wirkt gerade dann sehr realistisch,
wenn es mit Gegebenheiten im Dasein ihrer fiktiven Figuren verknüpft
wird. In diesem Zusammenhang ist die einfühlsame Charakterzeichnung
der Protagonisten mit Stärken und Schwächen hervorzuheben.
Tatsächlich erreicht manches Geschehen den Leser so hautnah, dass
es Beklemmung hervorruft. Ebenso lassen sich bei der Lektüre indes
neben Empörung, Unverständnis und Ablehnung auch Hoffnung und
Freude empfinden, so dass auch mittels dieser Emotionalität „Kinder
des Aufbruchs“ zu einer nachhaltigen Lektüre wird.
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Erschienen ist der Roman im Diana Verlag.
Sechs Jahre nach dem Mauerbau lernt die erfolgreiche Dolmetscherin Emma in West-Berlin die aus dem Ostteil der Stadt geflohene Sängerin Irma Assmann kennen. Als sie ihrer Zwillingsschwester Alice davon erzählt, reagiert diese beunruhigt. Alice schreibt als Journalistin über die Studentenbewegung und steht in Kontakt mit verschiedenen Fluchthilfe-Organisationen. Ist Irma mit ihren ehemaligen Beziehungen zum KGB als Informantin im Westen? Oder sind die Schwestern und deren Männer Julius und Max durch ihre Verbindungen zur DDR zu Zielscheiben geworden? Kurz darauf wird die Sängerin ermordet, und die vier geraten inmitten der Studentenunruhen zwischen die Fronten der Geheimdienste. (Quelle: Verlag)
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