Freitag, 2. August 2024

Blogger für HOMER - Das 9. Jahrhundert und die Nordmänner



Für den Literaturpreis HOMER 2024 sind in diesem Jahr die ersten drei Bände der Reihe TANKRED von Michael Römlinnominiert, mit der wir während der Lektüre in das 9. Jahrhundert reisen können.

Heute möchte ich euch die politischen Gegebenheiten dieser Zeit etwas näher bringen, wie sie sich nach Karl dem Großen neben der Bedrohung durch die Nordmänner entwickelten.

Kennzeichnend für das 9. Jahrhundert war der Zerfall des karolingischen Frankenreiches. Dabei hatte Karl der Große doch so viel Mühe aufgewandt, in seiner Regierungszeit von 768 bis 814 die Grenzen stark zu erweitern und sein Reich zu einer Großmacht aufsteigen zu lassen. Es stellte den Kernteil der frühmittelalterlichen Christenheit und das bis dahin bedeutendste staatliche Gebilde im Westen dar. Das wurde vor allem auch deshalb möglich, weil der 800 zum Kaiser gekrönte Karl für eine leistungsfähige und effektive Verwaltung sowie eine umfassende Bildungsreform gesorgt hatte.

Nach seinem Tod folgte ihm sein Sohn Ludwig der Fromme auf den Thron, und es sah zunächst nach weiterem Fortschritt aus, weil er die Reformierungen im kirchlichen und weltlichen Bereich vorantriebAllerdings bestimmte er bereits 817 eine Reichsteilung zwischen seinen Söhnen Lothar, Ludwig und Pippin. Zudem bekam Ludwig in seiner zweiten Ehe noch einen Sohn, so dass er auch diesem – ebenfalls mit Namen Karl – einen Anteil am Erbe zusicherte. Daraufhin wurde offener Widerstand der ältesten drei Söhne gegen die Pläne des Kaisers entfacht, die in einer Erhebung gegen Ludwig den Frommen im Jahr 830 mündete. Hieraus kann richtigerweise gefolgert werden, dass die Krisenzeit des Karolingerreiches begann, die schließlich zu dessen Auflösung führte.

Die Streitigkeiten konnten dann nach mehreren Seitenwechseln 843 mit dem Vertrag von Verdun beendet werden, der Folgendes vorsah: Karl erhielt den Westen, Ludwig den Osten und Lothar ein Mittelreich und Italien. Letzterer wurde er von seinem Sohn Lothar II. im Jahre 855 beerbt, der wiederum schon 869 ohne legitimen Nachfolger verstarb.

Ihr ahnt es sicher längst. Erneut wurde um das Erbe gestritten. Am Ende einigten sich die beiden Brüder Karl der Kahle und Ludwig der Deutsche: Es gab eine neue Teilung, und zwar endgültig, so dass Karl über das Westfrankenreich und Ludwig über das Ostfrankenreich regierte.

Versuche, dem anderen das Land gewaltsam zu entreißen, scheiterten. Vielmehr gab es nach dem Tod von Ludwig dem Deutschen weitere Reichsteilungen und Wechsel in der Herrschaft von nachkommenden Söhnen.

Erst unter Karl III., drittem und jüngsten Sproß von Ludwig dem Deutschen und nach dem Versterben der Könige der verschiedenen Teilreiche, war das mehrfach geteilte Reich, wie es einst unter Karl dem Großen existierte, für eine kurze Zeit noch einmal vereint. Karl III. wurde 881 Kaiser und herrschte neben dem Ostfrankenreich ab 885 bis zu seinem Tode als König auch über Westfrankenreich.

Klingt kompliziert, ist es wahrscheinlich auch. Aber wir sind endlich in der für TANKRED wichtigen Gegenwart angekommen und erleben also die Herrschaft von Karl III.



Die fränkischen Königreiche um 880,
das Rheinland liegt im westlichen Teil des Ostfrankenreiches


Als wäre das nicht anstrengend genug, begannen in den letzten Jahrzehnten des 9. Jahrhunderts die Nordmänner, in der Romanreihe Dänen genannt und ebenso als Wikinger bekannt, mit ihren Einfällen ins Frankenreich.

Vorausgegangen waren die erlittenen Niederlagen der Nordmänner durch Truppen von Alfred dem Großen im Südwesten von England und auf westfränkischem Gebiet, woraufhin sie sich 881 ostwärts Richtung Rheinlande wandten.

Karl III., der zu diesem Zeitpunkt wegen der anstehenden Krönung zum Kaiser in Rom weilte, hatte eine Truppe von wehrhaften Panzerreitern mitgenommen, jedoch kaum etwas für den Schutz der Heimat veranlasst. Auch die Mauern einzelner Städte wurden zum Teil erst verstärkt, als die Dänen schon vor den Toren standen.

Die Bevölkerung war den Angriffen schutzlos ausgeliefert. Nur durch Flucht konnten die Menschen ihr Leben und manchmal auch ein wenig Hab und Gut retten, so dass sie Ortschaften und Klöster kampflos ver- und überließen.

Auf ihren Raubzügen fuhren die Dänen mit wendigen Schiffen, auf denen sie Pferde mitführten, den Rhein entlang und plünderten unter anderem die alten Römerstädte Köln, Bonn, Xanten, Trier, machten auch nicht Halt vor der Kaiserstadt Aachen, die sie schändeten und in Brand legten.

Zahlreiche Klöster wurden außerdem zerstört und mit ihnen die dort vorhandenen Bibliotheken, in denen Schriftsammlungen aus mehreren Jahrhunderten aufbewahrt worden waren.

Eines dieser Klöster war Prüm, das kulturelle Zentrum des fränkischen Reiches, das neben einem Hospital eine bedeutende Klosterschule und eine der umfangreichsten Bibliotheken des Reiches mit dazugehörigem Scriptorium beherbergte.

Und damit schließt sich der Kreis. Denn Tankred, der titelgebende Held der Romanreihe von Michael Römling, befindet sich eben in diesem Kloster Prüm und ist Bibliothekar, als der Überfall kurz bevorsteht.

Wer nun mehr erfahren möchte, insbesondere was das Schicksal für Tankred bereithält, dem sei die Lektüre auf jeden Fall empfohlen. So viel kann ich verraten. Es wird abenteuerlich, kämpferisch, intrigant und tatsächlich auch in einigen Szenen äußerst beschwingt.

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