Für
den Literaturpreis HOMER 2024 sind in diesem Jahr die ersten drei Bände der
Reihe TANKRED von
Michael Römling nominiert, mit der wir während
der Lektüre in
das 9. Jahrhundert reisen
können.
Heute
möchte ich euch die
politischen Gegebenheiten dieser
Zeit etwas näher bringen, wie
sie sich
nach
Karl dem Großen neben
der Bedrohung durch die Nordmänner entwickelten.
Kennzeichnend
für das 9.
Jahrhundert
war
der Zerfall des karolingischen
Frankenreiches.
Dabei
hatte Karl der
Große doch
so viel Mühe aufgewandt, in
seiner Regierungszeit von 768 bis 814 die Grenzen stark zu
erweitern
und sein Reich
zu
einer Großmacht aufsteigen
zu
lassen.
Es stellte
den
Kernteil
der frühmittelalterlichen Christenheit und das bis dahin
bedeutendste staatliche Gebilde im Westen dar. Das
wurde vor
allem auch
deshalb
möglich, weil
der
800
zum Kaiser gekrönte
Karl
für eine leistungsfähige und effektive Verwaltung sowie eine
umfassende Bildungsreform gesorgt hatte.
Nach
seinem Tod folgte ihm sein Sohn Ludwig der Fromme auf
den Thron, und es
sah zunächst
nach
weiterem Fortschritt aus, weil er
die Reformierungen im kirchlichen und weltlichen
Bereich vorantrieb. Allerdings
bestimmte er bereits 817 eine Reichsteilung zwischen seinen Söhnen Lothar, Ludwig und
Pippin. Zudem bekam Ludwig in seiner zweiten Ehe noch einen Sohn, so dass er auch
diesem – ebenfalls mit Namen Karl –
einen
Anteil am Erbe zusicherte.
Daraufhin
wurde
offener
Widerstand der
ältesten drei Söhne gegen
die Pläne des Kaisers entfacht,
die in einer Erhebung
gegen
Ludwig
den Frommen im Jahr 830 mündete.
Hieraus
kann richtigerweise gefolgert werden, dass die
Krisenzeit des Karolingerreiches begann,
die schließlich zu dessen Auflösung führte.
Die Streitigkeiten konnten dann nach mehreren Seitenwechseln 843 mit dem Vertrag von Verdun beendet werden, der
Folgendes vorsah:
Karl
erhielt den Westen, Ludwig den Osten und Lothar ein
Mittelreich
und
Italien. Letzterer
wurde er
von
seinem Sohn Lothar II. im Jahre 855 beerbt, der wiederum schon 869
ohne legitimen Nachfolger verstarb.
Ihr
ahnt es sicher längst. Erneut wurde
um das Erbe gestritten.
Am
Ende einigten sich die
beiden Brüder Karl der Kahle und Ludwig der Deutsche: Es gab eine
neue
Teilung, und zwar endgültig, so
dass Karl über das Westfrankenreich
und
Ludwig
über das Ostfrankenreich
regierte.
Versuche,
dem anderen das Land gewaltsam zu entreißen, scheiterten. Vielmehr
gab es nach dem Tod von Ludwig dem Deutschen weitere Reichsteilungen
und Wechsel in der Herrschaft von nachkommenden
Söhnen.
Erst
unter Karl III., drittem und jüngsten Sproß
von
Ludwig dem
Deutschen und nach dem Versterben der
Könige der verschiedenen Teilreiche,
war
das mehrfach geteilte Reich,
wie
es einst unter Karl dem Großen existierte,
für
eine kurze Zeit noch einmal vereint. Karl III.
wurde 881 Kaiser und herrschte neben dem
Ostfrankenreich
ab 885 bis
zu seinem Tode als König auch
über Westfrankenreich.
Klingt kompliziert, ist es wahrscheinlich auch. Aber wir sind endlich in der für TANKRED wichtigen Gegenwart angekommen und erleben also die Herrschaft von Karl III.
Als
wäre das nicht anstrengend genug, begannen in den letzten
Jahrzehnten des 9. Jahrhunderts die Nordmänner, in der Romanreihe Dänen
genannt und
ebenso als
Wikinger bekannt,
mit
ihren Einfällen ins Frankenreich.
Vorausgegangen
waren die erlittenen Niederlagen der Nordmänner durch Truppen von Alfred dem Großen
im Südwesten von England und auf
westfränkischem
Gebiet,
woraufhin sie sich 881 ostwärts Richtung Rheinlande wandten.
Karl
III., der zu diesem Zeitpunkt wegen der anstehenden Krönung zum
Kaiser in Rom weilte,
hatte eine Truppe von wehrhaften Panzerreitern mitgenommen, jedoch
kaum etwas für den Schutz der Heimat veranlasst. Auch die Mauern
einzelner Städte wurden zum Teil erst verstärkt, als die Dänen
schon vor den Toren standen.
Die
Bevölkerung war den Angriffen schutzlos ausgeliefert. Nur durch
Flucht konnten die Menschen ihr Leben und manchmal auch ein wenig Hab
und Gut retten, so dass sie Ortschaften und Klöster kampflos ver- und überließen.
Auf
ihren Raubzügen fuhren
die Dänen mit wendigen Schiffen, auf denen sie Pferde mitführten,
den Rhein entlang und
plünderten unter anderem die alten Römerstädte Köln, Bonn,
Xanten, Trier, machten auch nicht Halt vor der Kaiserstadt Aachen,
die
sie schändeten und in Brand legten.
Zahlreiche
Klöster wurden außerdem zerstört und
mit ihnen die
dort
vorhandenen Bibliotheken, in denen
Schriftsammlungen aus mehreren Jahrhunderten aufbewahrt worden waren.
Eines
dieser Klöster war Prüm, das kulturelle Zentrum des fränkischen
Reiches, das neben einem Hospital eine bedeutende Klosterschule und eine der
umfangreichsten Bibliotheken des Reiches mit dazugehörigem
Scriptorium beherbergte.
Und damit schließt sich der Kreis. Denn
Tankred,
der titelgebende Held der Romanreihe von Michael Römling, befindet sich eben in diesem Kloster Prüm und ist Bibliothekar, als der Überfall kurz bevorsteht.
Wer nun mehr erfahren möchte, insbesondere was das Schicksal für
Tankred bereithält, dem sei die Lektüre auf jeden Fall empfohlen.
So viel kann ich verraten. Es wird abenteuerlich, kämpferisch, intrigant und
tatsächlich
auch in einigen Szenen äußerst beschwingt.
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