Im Herbst 884 wäre Tankred mehr als froh, wenn er mit seiner Familie auf seinem Anwesen bei Maastricht mehr gemeinsame Zeit verbringen könnte. Nach zahlreichen Auseinandersetzungen ist er nämlich nicht nur rehabilitiert, sondern hat auch sein Erbe zurückerhalten. Halbbruder Gerold sowie dessen Mutter Uta vergällen ihm nicht mehr das Leben, derweil sie ihres verloren haben.
Doch das Schicksal will es anders. Erneut sind es die Dänen, mit denen sich Tankred beschäftigen muss.
Dabei hatte vor zwei Jahren der Kaiser einen kostspieligen Frieden mit den ihnen geschlossen und die dänischen Anführer Siegfried und Gottfried mit Geld überschüttet. Letzterer wurde von der Krone zudem großzügig mit friesischem Land und Ehefrau aus königlichem Geblüt bedacht. Die Hoffnung, ihn auf diese Weise an die Leine legen zu können, erwies sich schnell als Illusion.
Anstatt seine Leute von Einfällen und Plünderungen abzuhalten, verhält sich Gottfried äußerst großzügig und duldet es wohlwollend, dass weitere dänische Banden sich nicht nur die Bäuche vollschlagen und in friesischen Häfen mit Waffen und Vorräten eindecken. Nein, er sieht auch darüber hinweg, dass sie brandschatzend zwischen Maas und Rhein ins Binnenland einfallen, während Siegfrieds Leute sich zwischen Schelde, Somme und Seine herumtollen, die Menschen massakrieren und sich die Uneinigkeit bezüglich der Herrschaft im westfränkischen Reich zunutze machen.
Als das Anwesen von Tankred überfallen wird, zeigt sich, dass jemand ein ganz persönliches Hühnchen mit ihm zu rupfen hat. Wer ist bloß dieser Ragnar, dessen Rachegelüste die Zwillinge ebenfalls in Gefahr bringen?
Auf der Suche nach dem ominösen Dänen kommt Tankred einer Verschwörung gegen den Kaiser auf die Spur. Ein weiteres Mal ist es an ihm, für den Herrscher in die Bresche zu springen und ihn zu schützen. Nebenbei muss er auch sein eigenes Leben retten ...

Nach den Ereignissen in den ersten drei Bänden der TANKRED-Reihe, "Weihrauch und Schwert", "Hammer und Kreuz" und "Krone und Kelch" gestattet Michael Römling seinem Helden lediglich eine kurze Atempause und stürzt ihn in "Adler und Dolch" erneut mitten hinein in ein Geschehen aus Kämpfen, Intrigen und Verrat, List und Tücke, in dem er nicht nur den Kopf für andere hinhält, sondern auch persönlich involviert ist, hat es doch jemand auf ihn und seine Familie abgesehen ...
Wer bisher noch keinen TANKRED-Band gelesen hat, ist gut beraten, dies nachzuholen. Obwohl jeder Roman dank einiger erklärender Rückblicke für sich allein gelesen werden kann, verpasst die Leserschar neben dem Spaß bei der Lektüre auch die Entwicklung des ehemaligen Mönches und Bibliothekars zum angesehenen Kämpfer.
Dabei gelingt es Michael Römling einmal mehr, die historischen Gegebenheiten präzise zu beleuchten und die politischen Verhältnisse und Machenschaften im frühen Mittelalter in ein für die Leser erhellendes Licht zu rücken.
Eine frische und mit fröhlichen Szenen und amüsanten Akzenten gespickte Schilderung trägt ebenso zur Unterhaltung bei wie die aktionsreiche, in verschiedenen Einzelheiten ausgestattete Darstellung der Erlebnisse und Abenteuer von Tankred, seinen Freunden und Gefährten.
Hervorzuheben sind auf jeden Fall zahlreiche Gimmicks, Anachronismen und Anspielungen, die der Geschichte in "Adler und Dolch" den aus den bisherigen TANKRED-Bänden bekannten modernen Hauch geben und die Historie entstauben. Ich mag den klassischen historischen Roman, schätze es nichtsdestoweniger, mit welcher Begeisterung Michael Römling schreibt, Absurditäten einfügt und dabei das Genre nicht zu bierernst nimmt.
"Gib uns als deine Gefangenen aus", schlug Gauzbert vor.
"Die machen keine Gefangenen", sagte Harald. "Die würden mich fragen, warum ich euch nicht umgebracht habe, und dann müsste ich euch vor ihrer Nase erschlagen, um meine Haut zu retten, wollt ihr das?"
Nein, das wollten wir natürlich nicht. (Seite 17)
Möglicherweise ist es für einige ab und an verwirrend, sich im Dickicht der Personen zu orientieren und die oft namensähnlichen und zahlreichen historischen und fiktiven Figuren, die im Übrigen eine überzeugend ehrliche Beschreibung erfahren, durchzusortieren und einem Lager zuzuordnen.
Langeweile entsteht bei Michael Römling jedenfalls nicht, wenngleich die raumgreifenden Beratungen zu Strategien und Vorgehensweisen im Verlauf des Geschehens in etwas reduzierter Form der Handlung gut getan hätten. Es wird vielfach den Frauen nachgesagt, zu schwatzhaft zu sein. Wenn Männer allerdings unter sich sind und es um Kampf und Taktik geht, vergessen sie alles um sich herum, werden ausschweifend und verlieren sich in Diskussionen.
Die Wahl des Autors, seinen Protagonisten selbst erzählen zu lassen, erweist sich wieder als gelungenes Stilmittel, was eine mittelbare Nähe zu Tankred, seinen Gedanken und Gefühlen erlaubt.
Der ehemalige Mönch und Bibliothekar sehnt sich nach Ruhe. Er ist älter und reifer geworden, dazu Vater und Grundherr und trägt nicht mehr nur Verantwortung für sich alleine. Außerdem ist er zielstrebig, klug, mutig, wachsam und offenherzig. Manchmal sind seine Neugier und der Trotz, sich von widrigen Umständen nicht abhalten zu lassen, stärker als jede Vorsicht. Wie schon bei früheren Gelegenheiten, spürt Tankred die eine unbändige Versuchung, den Dänen auf der Nase herumzutanzen. Und findet sich so herein in seine Rolle als Spion, der auf zwei Hochzeiten tanzt.
Dabei soll nicht
unerwähnt bleiben, dass es auch tiefsinnige Momente gibt, wenn Tankred
bestimmte Dinge hinterfragt, was für die enorme Authentizität spricht,
die mich für ihn einnimmt.
An seiner Seite stehen Gauzbert und Lupus, Freunde, die im Grunde längst zur Familie gehören und ohne deren gelegentliche Unverfrorenheit im Umgang, indes ebenso dauerhaft beständige Loyalität die Handlung nicht funktionieren würde.
Die Klappeninnenseite des Buches zeigt eine Gebietsübersichtszeichnung, Landstrich-veranschaulichkeitsdarstellung oder Geländeverdeutlichungsskizze mit den Reisewegen von Tankred. Die Namen konnten sich aber nicht durchsetzen. Noch heute verwenden wir deshalb den von Tankred erfundenen Begriff Landkarte. Oder gibt es da etwa Widerspruch?