Donnerstag, 31. August 2023

Blogger für HOMER 2023 - Interview mit Ana Pawlik

Bald ist ist es soweit: Am 7. Oktober 2023 wird in Ingolstadt der Literaturpreis HOMER in Gold, Silber und Bronze verliehen. Die Autorin Ana Pawlik, deren zweiter Band der Österreich-Saga es nach der Vorjahresnumenierung erneut auf die Shortlist schaffte (meine Rezension findet ihr hier), hat mir ein paar Fragen beantwortet.
 
 
 
Liebe Ana, warum hast du dich an das Verfassen historischer Romane gewagt, da hierfür ja unbestreitbar fundierte Recherchen erforderlich sind?
 
Ich habe selber schon seit Langem gerne historische Romane gelesen und mich oftmals gefragt, wie man es angehen müsste, selber einen Histo-Roman zu schreiben. Dabei war es mir wichtig, dass der Roman dann auch aus verschieden Perspektiven von verschiedenen Figuren erzählt wird. Dann habe ich einen Plan gemacht und begonnen zu schreiben. Eine befreundete Mittelalter-Historikerin, die sich auf den Ostalpenraum spezialisiert hat, hat mir viele Tipps gegeben, wo ich welche Quellen, Berichte und andere Infos über die Zeit finde.
 
Nach "In den Klauen der Macht" setzt du die Reihe mit "Die Welt im Nebel" fort. Wie kam es zu diesem Titel, und welche Beweggründe stecken hinter der Auswahl?
 
Ursprünglich hätte es keine Romanreihe, sondern ein einziges dickes Buch mit etwa 1000-1200 Seiten geben sollen. Als ich etwa so viele Seiten geschrieben hatte, aber noch nicht fertig mit der Story war, habe ich schon mal nach einem Verlag gesucht. Eine Literaturagentur hat mir dann gesagt, dass es beinahe unmöglich sei, einen Verlag für solch ein langes Erstlingswerk zu finden. Ich soll alles entweder auf unter 500 Seiten kürzen oder mehrere Bände machen, von denen jeder aber eine in sich abgeschlossene Geschichte enthält.
 
„Die Welt im Nebel“ hätte ursprünglich der Titel für das gesamte dicke Werk werden sollen, passte dann aber nicht zu Band 1, sondern nur zu Band 2. Der Titel steht einerseits für das oft so verregnete Ennstal, das ja der Hauptspielort ist. Andererseits ist es als Metapher zu sehen: Der König des Reichs ist gestorben und die Welt liegt in undurchsichtigem Nebel. Niemand weiß, wie es weitergehen wird. Über ein Jahr lang gibt es keinen neuen König.
 
Dein Roman führt uns in das Mittelalter, genauer in das Hochmittelalter. Warum ist deiner Meinung nach diese Epoche so anziehend für LeserInnen? 
 
In Österreich gab es vom Mittelalter bis in die Neuzeit zwei große Herrschergeschlechter, die jahrhundertelang – zumindest über den Osten des heutigen Österreichs – geherrscht haben: im späten Frühmittelalter und Hochmittelalter die Babenberger und im Spätmittelalter bis in die Neuzeit die Habsburger. In der Zeit dazwischen wurde der Osten und der Süden Österreichs über ein paar Jahrzehnte lang vom Böhmenkönig Přemysl Ottokar regiert. Und das finde ich sehr spannend. Erst wenn man diese Zeit verstanden hat, versteht man auch, wie es zum Beginn der Habsburger Ära gekommen ist.
 
Deine detaillierte Darstellung der örtlichen und historischen Gegebenheiten lässt eine hervorragende, fast visuelle Betrachtung zu. Was hat dir beim Schreiben Freude bereitet und was nicht?
 
Eigentlich hat alles beim Schreiben Freude bereitet. Mir war es immer wichtig, dass sich die Leser*innen mit allen Sinnen in das Buch hineinfühlen können und dass sie alles sehen, riechen, schmecken, hören und fühlen können, was meine Figuren erleben.
 
Wenn ich etwas nochmal recherchieren musste, weil ich es nicht aufgeschrieben und deshalb Teile davon vergessen habe, dann war das manchmal etwas nervig.
 
Das Leben im Mittelalter ist geprägt von den Gegensätzen zwischen Arm und Reich, Land und Stadt, Frauen und Männern. Tatsächlich überrascht es, dass Glücksmomente insgesamt eher rar sind und im Grunde "jeder sein Päckchen trägt" und sich um sein Dasein bemüht. War das deine Intension beim Schreiben?
 
Ja, jeder sollte seine eigene Geschichte mit seiner eigenen ausführlichen Biografie haben, die erklärt, was meine Figuren antreibt, was sie zu dem oder der Person macht, die sie heute ist und worüber sie nachdenkt. Und trägt nicht auch in der echten Welt jeder sein Päckchen?
 
Konntest du die historischen Persönlichkeiten gut in die Geschichte einbinden, oder gab es dabei Schwierigkeiten?
 
Im Grunde konnte ich sie gut einbinden. Manchmal war es schwierig, dass Ereignisse aus der Fiktion mit Ereignissen aus der Historie zeitlich zusammenpassen. Da musste die Fantasie dann nachhelfen und noch weitere Ereignisse geschehen lassen, damit dann beides wieder zusammenpasste.
 
Euphemia musste im Buch zum Beispiel lange auf ihr erstes Kind warten und eine Fehlgeburt durchmachen, da die Kinder der historischen Person Euphemia in Quellen auch erst zu einem späteren Zeitpunkt datiert sind.
 
Hast du während des Schreibens Veränderung bei der Entwicklung, Handlung und Haltung deiner fiktiven Figuren vorgenommen? Wenn ja, welche?

Irenfried hatte ursprünglich eine kleinere Rolle. Kein Kapitel war anfänglich aus seiner Sicht beschrieben. Das hat sich erst so ergeben, als ich aus dem dicken Buch eine Buchreihe geschaffen habe. Es gefällt mir jetzt aber so besser, weil man jetzt auch erfährt, was Irenfried in seiner Kindheit und Jugend erlebt und ihn zu dem gemacht hat, was er jetzt is.

Die Magd und spätere Bäuerin Bertrada hat es in der allerersten Planung noch nicht gegeben. Sie ist während des Schreibens entstanden …. Zum Glück. Denn ich finde ihre Rolle wichtig.
 
Welche Personen liegen dir vor allem am Herzen? Gibt es auch welche, die dich erzürnt haben?
 
Meine Lieblinge sind Claus und Ännlin. Bertrada bringt mich mit ihrem Duckmäusertum manchmal zum Verzweifeln. Und Rudwin verabscheue ich leidenschaftlich.
 
Da stimme ich mit dir überein, ich schätze Claus und Ännlin sehr. Betrada tut mir auch ein wenig leid, und Rudwin wünsche ich wirklich nichts Gutes ... Einmal angenommen, du könntest für einen Tag in die Haut einer deiner Figuren schlüpfen, welche wäre das und warum?
 
Ännlin, wenn sie durch den Wald schleicht und sich in ihrem Waldhaus über dem Feuer einen Eintopf zubereitet. Denn ihr Waldleben, so hart es auch war oder ist, verströmt einen Geruch von Freiheit.
 
Oh ja, diese Auswahl kann ich sbsolut nachvollziehen ... Nachdem du dann wieder in der Gegenwart angekommen bist: Wer oder was kann dir einen anstrengenden Recherche- oder Schreibtag "versüßen"?

Ein Kaffee mit Hafermilch, ein Glas Rotwein oder auch eine Radtour durchs Ennstal. Radtouren durchs Ennstal sind immer gut, denn wenn ich völlig mit den Gedanken in meinen Büchern versunken bin, kann ich mich dabei ein bisschen so fühlen, als reite ich wie Arnulf auf dem Pferd durch die Gegend.
 

Vielleicht reiten wir einmal gemeinsam, nicht nur in Gedanken ... Ein herzliches Dankeschön, liebe Ana, dass du dir für die Beantwortung meiner Fragen Zeit genommen hast.

3 Kommentare:

  1. Ennstal. Noch nie gehört. Und über die Zeit kurz vor den Habsburgern auch noch nicht. Sehr interessant. Beides. Rezension und Interview.
    Buchige Grüße aus MeckPom

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  2. Danke für die Bereitstellung eines so interessanten und informativen Blogs

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  3. Ich freue mich schon sehr auf "Die Welt im Nebel" und darauf, mehr von den faszinierenden Figuren in ihrer Österreich-Saga zu erfahren. Es ist schön zu wissen, dass solch talentierte Autorinnen wie Ana Pawlik die Geschichte lebendig halten und uns in vergangene Zeiten entführen können. Vielen Dank für dieses aufschlussreiche Interview!

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