Das Buch enthält drei Liebesgeschichten, die zu den schönsten der Weltliteratur gehören:
Dshamilja
Diese Erzählung begründete Aitmatows Weltruhm. Louis Aragon nannte sie "Die schönste Liebesgeschichte der Welt". Wir erleben darin die beginnende Liebe zwischen der jungverheirateten Dshamilja und dem kriegsversehrten Danijar, die mit allen Konventionen brechen. Die Erzählung zeugt von einem beinahe archaischen Glauben an die Liebe - und an die Macht der Kunst; denn durch den wundervollen Gesang Danijars werden nicht nur die Gefühle Djamilja für den melancholischen Außenseiter geweckt, sondern auch die künstlerischen Fähigkeiten des Ich-Erzählers, des 15jährigen Said, diese Liebe zu Papier zu bringen, zu zeichnen.
Du meine Pappel im roten Kopftuch
Auch hierin wird von unverfälschten Gefühlen und der Breitschaft erzählt, sich von Althergebrachtem loszusagen. Obwohl der Termin für Asseljs Hochzeit bereits feststeht, flieht sie mit dem Fernfahrer Iljas, um ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Obwohl sie sich und beide ihren kleinen Sohn Samat von Herzen lieben, können sie das Glück nicht festhalten.
Aug in Auge
Ismail ist heimlich als Deserteur von der Front zurückgekehrt und wird von seiner aufopferungsvollen Frau, die allen im Dorf die Stirn bietet und noch ihren neugeborenen Sohn und die alte Schwiegermutter versorgt, versteckt. Die beiden hoffen auf einen Neuanfang und träumen von einem Leben als glückliche Familie. Doch der Krieg, die ständige Angst, entdeckt zu werden, der Hunger und die Kälte haben Ismail verändert. Als sich herausstellt, dass er die einzige Kuh der Nachbarin, die drei kleinen Kinder hat und deren Mann und Vater gefallen ist, stahl, ohne einen Gedanken des Mitgefühls an die Notlage der Frau zu verschwenden, entscheidet sich die junge, nach dieser Entdeckung grauhaarig gewordene Frau gegen ihren Mann.
"Aitmatow erzählt von großen Gefühlen, von Mut und Einsicht, Glück und Untergang. Diese Geschichten sind so schön, daß man sie seinen besten Freunden jedes Jahr wieder zum Präsent machen möchte." buch aktuell
Die Biografie des Tschingis Aitmatow führte ihn von der Peripherie in die Zentren. Aufgewachsen war er im kirgisischen Dorf Scheker. Früh verlor er seinen Vater, der im Zuge des stalinistischen Terrors im Jahr 1938 hingerichtet wurde. Aitmatow schlug sich durch mit allerlei Hilfsarbeiten, machte einen Abschluss an der russischen Schule und studierte Tiermedizin in der kirgisischen Hauptstadt Frunse (heute: Bischkek). Über den Journalismus und als Übersetzer ins Russische gelangte er zur Literatur und über die Literatur nach Moskau ins Gorki-Institut und von da in die Welt. Er machte Karriere als Funktionär, war Redakteur der Prawda, setzte sich unermüdlich ein für die Anerkennung der kirgisischen Literatur in der Sowjetunion und darüber hinaus. Kirgisien blieb das Zentrum seiner Literatur, die ästhetisch nicht den Anschluss an die westliche Moderne suchte.
Aus kirgisischer Perspektive richtete sich das Beharren auf lokaler Tradition immer auch gegen den von Moskau her wütenden Fortschrittsterror. Für seinen Erfolg im Westen, der in den Achtzigerjahren seinen Höhepunkt erreichte, wurde dagegen nicht zuletzt sein Bewusstsein für die Gefährdungen der Natur wichtig. Weitab von den üblichen Pfaden der westlichen Wahrnehmungsgeografie etablierte Aitmatow damit Kirgisien als Sehnsuchtsort, dem aus der Ferne dann unvermeidlich auch beträchtliches Kitschpotenzial zuwuchs.
In den letzten zwei Jahrzehnten seines Lebens war der 1928 geborene Aitmatow vor allem als Politiker präsent. Ein wichtiger Perestroika-Verbündeter Michail Gorbatschows in den Achtzigerjahren, nach dem Ende der Sowjetunion Botschafter des unabhängig gewordenen Staates Kirgisien in Frankreich und den Beneluxländern. Nach einem längeren Klinikaufenthalt ist Tschingis Aitmatow 2008 in Nürnberg gestorben. Als berühmtester Weltbürger von Kirgisien hat er in seiner Heimat ein Staatsbegräbnis erhalten.
(Autor: Ekkehard Knörer, taz)
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