Julia
und Konstantin lieben sich, seit drei Jahren sind sie ein Paar und
führen trotz getrennter Wohnungen eine harmonische Beziehung. Allerdings ist ihr Zusammensein von Konstantin abhängig, weil dieser
ständig in der Welt unterwegs und nur für wenige Tage zu Hause ist.
Bislang
hat Julia diese Konstellation nicht in Frage gestellt. Die
Siebenunddreißigjährige besitzt seit fünf Jahren eine eigene
Apotheke und schätzt den Umgang mit den Menschen. Erst als eines
Tages ein Brief ihres Jugendfreundes Tom ankommt, wird Julia
angeregt, ihr Dasein in Frage zu stellen. Denn Tom ist krank, er hat
ALS - Amyotrophe Lateralsklerose, eine Krankheit, die die Nerven
zerstört und fortschreitende Muskellähmung verursacht. Tom wird
sterben, möchte zuvor aber die Menschen treffen, die ihn geprägt
haben. Zu diesen gehört Julia.
Gemeinsam
mit seiner Schwester Helke, seiner ehemaligen Freundin Elsa fahren
Tom und Julia in einem alten VW-Bus nach Florenz, der Stadt, mit der
Tom wunderbare Erinnerungen verknüpft. Die Reise wird bedeutsam und entscheidend für
sie alle...
„Solange
wir lieben“ lässt sich gut lesen. Liv Thomas verfügt über einen unbefangenen und angenehmen Erzählton, der es vermag, einige ernste
Themen anzusprechen, ohne sie schwer erscheinen zu lassen. Das ist
lobenswert, indes liegt hierin zugleich ein Problem. In ihrem
Bemühen, ein Augenmerk auf unterschiedliche Erkrankungen zu legen,
überfordert die Autorin mich mit dem Auftreten von ALS, Krebs,
Huntington, Herzinfarkten und Alkoholismus, auch wenn sie nicht bei
allem ins Detail geht.
Liv
Thomas lässt sich Zeit, den Alltag zu schildern und gibt vor allem
ihrer Heldin Julia viel Raum, aus ihrer Ich-Position heraus zu
berichten. Dass eine Beziehung wie die von Julia und Konstantin
Konfliktpotential beinhaltet, ist klar. Es wird gelungen
herausgearbeitet, wie Julia dabei empfindet. Julia ist keine
Autoritätsperson, sondern eine Frau, der viel an Harmonie liegt und
die unfähig ist, Verantwortung abzugeben. Besonders in ihrer
Apotheke. Am liebsten kümmert sie sich um alles selbst.
Leider
fehlt es mir bei der jungen Frau im Laufe des Geschehens an
Entschlussfreudigkeit. Schließlich habe ich sie von Anfang an als
eine mit beiden Beinen im Leben stehende Persönlichkeit gesehen, die ein
großes Pensum bewältigt und als Chefin einer Apotheke
täglich immer noch neuen Herausforderungen ausgesetzt wird. Keine
klassische Karrierefrau, vielmehr eine, die sich einen Partner
wünscht, den sie liebt, aber auch einen, mit dem sie den Alltag
teilen kann. Konstantin liebt sie – das ist für mich keine Frage.
Doch ihren Alltag teilt er nicht mit ihr. Und auch sonst erfahre ich
zunächst von Konstantin nicht viel.
Mit
Lea und Sebastian setzt Liv Thomas ein weiteres Paar in Szene, und
zwar in der Konstellation ältere Frau, jüngerer Mann. Unerwartet
sympathisch und mit Potential für ausreichend Probleme, sogar für
eine eigene Geschichte. Stattdessen entschließt sich die Autorin für
die Thematisierung einer eventuellen Krebserkrankung, die ich, obwohl
ich den Sinn dahinter verstehe, als eher störend wahrgenommen habe.
Als
Tom in Begleitung seiner Schwester Helke ins Spiel kommt, was
unerwartet spät geschieht, wird die Geschichte sehr gefühlvoll. Meiner Meinung nach gelingt es der
Autorin, überwiegend eine ausgewogene Balance zwischen mitleidigen,
bedrückend-melancholischen und frohen, außerdem sogar humorvollen
Momenten zu finden.
Insgesamt
hätte ich mir intensivere Eindrücke von der Reise gewünscht. Die Einbeziehung von Elsa, der Frau, die Tom nach acht
Jahren Beziehung verlassen hat, kann ich insofern begrüßen, als
hier einiges zum Abschluss gebracht wird.
„Solange
wir Lieben“ hat einen beachtlichen Start, verliert sich im Verlauf der
Handlung etwas, um dann im Schlussteil hinsichtlich der Emotionalität
wieder an Kraft und Ausdruck zu gewinnen.
3,5 Sterne