1954
sind im kleinen rheinischen Dorf Kaltenbruch die Folgen des Krieges
noch spürbar. Neben der angestammten Dorfgemeinschaft leben hier
jetzt unter anderem auch mehr schlecht als recht Flüchtlinge aus den
einstmals deutschen Gebieten jenseits der Oder. Vor allem Frauen wie
Berta Kaminski aus Breslau, ohne einen Mann, aber mit vielen Kindern,
haben es schwer. Die Integration ist verhalten, Misstrauen/Argwohn
und Ablehnung – bis auf wenige Ausnahmen – groß.
Während
beispielsweise seine Geschwister Anfeindungen ausgesetzt sind, ist
Rudi Kaminski anerkannt. Auch Marlene, die als Kind in Köln
ausgebombt wurde und dabei ihre Mutter verlor, hat es nach Umwegen
über Großmutter und Heim gut getroffen. Sie ist auf dem Bauernhof
der Leitners, wo sie gemeinsam mit der Mutter einige Sommer verbracht
hatte, untergekommen. Genauso wie Dana, deren Mutter den Platz der
verstorbenen Frau Leitner eingenommen hat.
Da
geschieht ein Mord und stellt das stillschweigende Arrangement der
Dorfbewohner auf den Kopf. Der siebzehnjährige Heinrich Leitner,
genannt Heini, liegt mit einer Axt hinterrücks erschlagen auf dem
Erdbeerstand, an dem er kurz zuvor noch mit Marlene gesehen worden war.
Statt ihrer wird Gruber, ein Dorfbewohner, der bekanntermaßen dem
Alkohol verfallen und keiner Schlägerei in der Kneipe abgeneigt ist,
blutbesudelt am Tatort aufgefunden. Allerdings beteuert er vehement
seine Unschuld. Und Schlüter,
Fabrikant und sein Arbeitgeber, nur
sekundär an Politik interessiert, einer, der immer alle gut
behandelt (hat, auch die Zwangsarbeiter), besorgt
ihm einen Anwalt.
Es
ist am Düsseldorfer Kommissar Peter Hoffmann, die Frage zu klären,
ob Gruber der Täter ist. Unterstützung erhält er vom
jungen schlaksigen
Polizeimeister
Kröger,
der
im Dorf seinen Dienst verrichtet,
und Lisbeth Pfau, die zunächst lediglich kommentarlos
als Schreibkraft fungieren soll, dann aber beweist, dass sie durchaus zu eigenen klugen Überlegungen
fähig ist.
Schnell
beißt sich der äußerst unwillig agierende und überheblich
wirkende Hoffmann an Gruber als Täter fest und will diesen
so möglichst bald überführen, um das Provinznest verlassen
zu können. Doch nur wenige Tage später wird Gruber selbst zum Opfer und kommt
gewaltsam zu Tode. Hat Heinis Mörder erneut zugeschlagen?
Michaela
Küpper hat für ihr Debüt „Kaltenbruch“ einen interessanten, selten besehenen Zeitpunkt
gewählt. Fast zehn Jahren nach dem zweiten Weltkrieg sind die
Menschen zwar wieder zu einer gewissen Normalität zurückgekehrt,
die Nachwirkungen des Krieges prägen sie und ihren Alltag, der vor
allem aus harter Arbeit besteht, indes immer noch. Die
Dorfgemeinschaft ist nicht mehr unter sich. So wundert es nicht, dass
Zugezogenen gegenüber wenig Akzeptanz bekundet wird, vielmehr
Unbehagen
und ebenso Missgunst
vorherrschen. Die Autorin skizziert mit wachem Auge die
unterschiedlichen Figuren, und nach einiger Zeit gelingt es, sie
zuzuordnen. Die Darstellung zeigt sich als einleuchtend und
glaubwürdig, erschließt jedoch das eine oder andere Mal erst im
Verlauf der Handlung.
Peter Hoffmann sieht auf den ersten Blick aus wie ein Pennäler, verhält sich allerdings
nicht so. Auch auf
den zweiten
Blick
ist
er kein
Zeitgenosse, dem die Sympathie zufliegt. Vielmehr stößt die Art,
wie er mit Gruber umgeht, unweigerlich ab. Aber auch Hoffmann
hat sein Päckchen zu tragen und offenbart gewisse Schicksalsmomente, in denen das Verständnis für ihn wächst.
Der
Plot in seinem historischen Gewand ist merkbar detailliert
recherchiert und durchdacht. Er präsentiert einen kniffligen Kriminalfall,
mit Raum für eigene Überlegungen, ohne diesen in den Mittelpunkt zu
setzen. Die Geschichte wird wechselnd aus Sicht einzelner Figuren
erzählt.
Michaela
Küpper schreibt ohne Effekthascherei, zurückhaltend und manchmal
distanziert, bringt
das
Wesentliche aber mit überzeugenden und ergreifenden Bildern nahe,
besonders wenn es darum geht, die beklemmende Vergangenheit zu
schildern. Dabei entsteht leider auch eine Gefühlskälte, die erst
nach und nach aufgebrochen wird und im gegenwärtigen Geschehen nicht
durchgängig tiefgreifende Emotionalität aufweist.
Trotzdem
ist „Kaltenbruch“ ein lesenswerter Roman mit einer gut
aufgearbeiteten Zeitgeschichte und Protagonisten, die sich in kein
Korsett pressen lassen, deshalb auffallen und mögliches Potential
für ein Wiedersehen bieten.
*Werbung*
Erschienen ist der Roman bei Droemer Knaur, ich danke dem Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares.
Erschienen ist der Roman bei Droemer Knaur, ich danke dem Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares.
Liebe Anke,
AntwortenLöschenherzlichen Dank und sonnige Grüße
Elisabeth