Freitag, 8. März 2024

Drei Tage Erste Nachkriegsjahre - Tag 3: Helle Tage, dunkle Schuld

Am heutigen internationalen Frauentag kehren wir nochmals literarisch in die ersten Nachkriegsjahre zurück ...


1948 leiden die Deutschen nach wie vor unter den drastischen Folgen, die ihr Weltkrieg über die Menschen gebracht hat. Die Entnazifizierung durch die Alliierten ist noch nicht abgeschlossen und erweist sich bereits jetzt als lückenhaft und inkonsequent. Ehemalige NS-Diener drängen zurück auf ihre alten Posten.

Damit muss sich auch Kriminalinspektor Carl Bruns auseinandersetzen, der wegen eines jüdischen Großvaters und des verbundenen (fehlenden) Arier-Nachweises für elf Jahre aus dem Polizeidienst entlassen worden war, stattdessen als Bergmann gearbeitet hat und erst nach Kriegsende wieder eingestellt wurde. In der Essener Polizeibehörde steht er tatsächlich eines Tages seinem ehemaligen Ausbilder gegenüber, der sich rehabilitieren möchte.

Doch nicht nur das beschäftigt Carl.

Er wird zu einem Tatort gerufen, dessen Opfer ihn mit der Vergangenheit verbindet. Bei der Toten handelt es sich um die Mutter eines gesuchten Naziverbrechers, der für eine Massenerschießung von Zwangsarbeitern verantwortlich zeichnet und sich auf der Flucht befindet. Außerdem ist der gesuchte Hoffmann mit Frieda, der Schwester von Carl erster großer Liebe Anna verheiratet. Die Frauen waren einst aus Angst vor den Grausamkeiten und Peinigungen des Mannes nach Köln geflohen. Nachdem das Testament der Toten ihren Enkel Emil als Haupterben bedenkt, kehrt die Familie nach Essen zurück.

Carl bezieht besonders Anna in die Ermittlungen mit ein. Zugleich flammen „alte“ Gefühle auf. Die verwitwete Krankenschwester scheint diese zu erwidern, so dass sowohl Carl als auch Anna Hoffnung schöpfen, dass ihnen nach all den Jahren etwas Glück zuteil werden wird. Wären da nicht weitere Tote und die Tatsache, dass sowohl Spuren zu den im Haus von Frau Hoffmann einquartierten Flüchtlingen und Ausgebombten sowie zu Frieda führen. Allesamt sind durchweg nicht gut auf die Ermordete zu sprechen und verhehlen ihre Abneigung nicht.

Wäre das nicht bereits schlimm genug, könnte Anna selbst in Gefahr sein ...


Eva Völler schreibt ohne Schnörkel und mit Intensität. Sie ist klar im Ausdruck der Schilderung der Verhältnisse und misslichen Lage in diesem Nachkriegsjahr und integriert in ihrem Roman „Helle Tage, dunkle Schuld“ gekonnt einen Kriminalfall mit dramatischen Handlungsablauf. In deutlicher Bildsprache beschreibt die Autorin eine Stadt, in der ganze Teile von Bomben zerstört wurden, so dass drei Jahre noch nicht genug Zeit waren, alle Trümmer und die gewaltige Menge des gesamten Schutts zu beseitigen. Aus diesem Grund sind die vorherrschenden Wohnsituationen mehr als beengt.

Deshalb leben die Bewohner des Mehrparteienhauses der toten Frau Hoffmann dicht an dicht zusammen, sie eint das jeweilige unterschiedliche Schicksal, jedoch auch die Antipathie gegenüber der Hausbesitzerin.

Die Deutschen befinden an einem Wendepunkt. Nach langen Jahren im Banne der Nazi-Herrschaft müssen sie erkennen, dass ihre Nation eine von Eva Völler betitelte „dunkle Schuld“ zu tragen und aufzuarbeiten hat, die für die meisten Menschen zwar unbegreiflich, hingegen unerlässlich im Verständnis ist, damit ein Wiederaufstehen möglich wird.

Es sind nicht ausschließlich die Vorgänge im Privaten, sondern daneben die gegenwärtigen politischen Gegebenheiten, beispielsweise in den Behörden wie der Polizei, die die Bemühungen erschweren, den Aufbau einer gerechten Gesellschaft voranzutreiben. Noch immer und bereits wieder gibt es all jene, die auf der Suche nach dem eigenen Vorteil sind und aus der Vergangenheit nichts gelernt haben und dies auch nicht wollen.

Hierdurch wirkt das Geschehen authentisch, in jeder Hinsicht nachvollziehbar und hat mir eine enge Teilhabe am Geschehen gestattet.

Eva Völler scheut sich nicht, Grautöne zu verwenden. Ihre Protagonisten sind nicht nur schwarz oder weiß gezeichnet. Sensibel beleuchtet die Autorin das Zusammensein der Menschen, die auf unterschiedliche Arten miteinander verbunden sind: Liebe, Freundschaft und Mitgefühl stehen Wut, Ablehnung und Hass gegenüber.

Carl wagt viel für seine erste Liebe Anna. Darüber hinaus muss er abwägen, wie er Wahrheit und Lüge voneinander abgrenzt, und vor allem, ob er das überhaupt will.

Anna stellt ihr Kraft völlig in den Dienst der Familie, zu der außer Frieda und Emil noch die jüngere Schwester Lotti gehört, und versucht, diese mit aller Macht zu schützen. Dabei trägt sie selbst schwer an vergangenen Ereignissen, geht indes mit ihrem Kummer nicht hausieren. Die echten Probleme behält sie für sich, sie funktioniert und will niemand anderen belasten.

Vorsichtig, aber stetig entwickeln Anna und Carl Empfindungen (neu), das selten gewordene Gefühl von Zusammengehörigkeit, so dass Sorgen und Ängste nebensächlich erscheinen – eine in meinen Augen sehr glaubwürdige Darstellung.

Eva Völler verdeutlicht, wie wichtig es ist, „aus der Vergangenheit zu lernen und es dann besser zu machen.“ Ihr Roman „Helle Tage, dunkle Schuld" ist ein hervorragendes Beispiel dafür.


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Der Roman ist bei Droemer Knaur erschienen, ich danke dem Verlag für die Bereitstellung und Julia Meyn für die Vermittlung des Rezensionsexemplares.

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