Lillian
ist 57, ledig und kinderlos. Eine reife Frau. Eine, die ihr Leben
gelebt und für die es noch immer nicht an Reiz verloren hat.
Keinesfalls ein trauriges Dasein,
sondern vielmehr ein sehr bemerkenswertes.
Wir treffen sie in New York, in den Armen ihres verheirateten
Liebhabers. Gerade blickt sie
zurück
auf ihre
kühne Vergangenheit
voller Abenteuer. Es wird
eine Bestandsaufnahme ihres bisherigen Lebens mit all seinen
faszinierenden und exotischen Momenten. Vor
all denen in den aufregenden
Nachkriegsjahren in München, Paris und London...
Als
sie Anfang der Dreißiger Jahre geboren wird, scheint es
nur eine vorgezeichnete
Richtung zu
geben.
Es ist eindeutig, was Eltern und Gesellschaft von ihr erwarten, und
auch Lillian stellt
sich
zunächst
vor,
dass sie heiraten und Kinder bekommen wird. Sie vergöttert ihren
Vater, hat allerdings eine gespanntere Beziehung zu ihrer Mutter, die immer
versucht, ihre Tochter zu verändern, damit sie besser „ins Bild“
passt. Doch die junge Frau hat früh das Gefühl, dass sie alle enttäuschen
wird, weil sie sich selbst treu bleiben will. Sie ist
nämlich intelligent und unabhängig, heißblütig und sexuell ohne Hemmungen.
Im
Grunde ihrer Zeit weit voraus.
Der
junge Lillian verlässt bald Columbia, ihre kleine Geburtsstadt in Missouri. Die
Chance, für einen Schriftsteller zu arbeiten, treibt sie nach
Deutschland.
Weitere
Jobs führen sie durch ganz Europa - und nebenbei in die Arme von
unterschiedlichen und interessanten Männern. Einige von Lillians
Beziehungen sind nur von kurzer Dauer;
andere
dauern Jahre an.
Michael,
Dave, Laszlo, John, Alec, Nigel, Alfred, Willis, Pyam und andere
tauchen in der Geschichte auf, und jeder stiehlt ihr Herz für eine
Weile. Ganz besonders Ted hält es sehr lange und sehr fest in seinen
Händen.
Der
Debütroman von
Alison Jean Lester „Lillian, das Leben und die Männer“ ist vor
allem eines:
überraschend
originell.
Denn die Autorin erzählt hier keine stringente Handlung. Vielmehr
setzt sich Lillians Geschichte aus einer Reihe kurzer Essays über
bestimmte Themen, ihre unbeirrbaren Beobachtungen und prägnanten
Erfahrungen
mit Menschen zusammen, die in Verbindung mit ihrem Leben stehen.
Es
sind ernstzunehmende
und ergreifende
Reflexionen. Hierbei wird
deutlich, dass die
Protagonistin Lillian
keinesfalls beeindrucken will, sondern eher
extrem
ehrlich zu sich selbst, vielleicht
in Einzelfällen etwas
zu großzügig gegenüber anderen ist.
Das eine oder andere Mal geht sie den Weg des geringsten
Widerstands und vermeidet
Konflikte.
Möglicherweise
hätte sie anderes gehandelt, hätte sie gewusst, wie sich einige
Dinge entwickeln. Weshalb es auch Momente gibt, die Lillian traurig stimmen, aber sie
hält nicht daran
fest und verfällt in Bedauern.
Obwohl
Lillian zu Beginn weniger greifbar ist, entwickelt sich im Verlauf
der Begegnungen ein Bild von ihr, das zwar nicht frei von
Widersprüchen ist, aber eine
liebenswerte und beeindruckende Persönlichkeit mit
Klarsicht und Einfühlsamkeit offenbart. Ein freier Geist, der sich von
Natur aus großzügig zeigt
und nicht um moralische Konventionen kümmert. Eine Freundin,
auf die Verlass ist.
Die
Erzählung evoziert neben den Beschreibungen der Ereignisse eine
Emotionstiefe und
ein Gefühl der Schärfe. Als sie sich an die Männer erinnert, die
mehr oder minder Bedeutung für sie hatten,
und wie
sie von ihnen behandelt wurde,
erkennt Lillian,
dass es manchmal einfacher gewesen
ist,
ihre Bevormundung zu
akzeptieren
und dann weiterzugehen:
„Etwas
zu haben ist besser als nicht zu haben. Manchmal reicht es trotzdem
nicht. Meistens sogar. Die Menschen verweigern sich, sie schlafen zu
lange. Oder das Leben selbst verweigert sich, das Schicksal. In dem
Punkt bin ich mit den Griechen einer Meinung: Die Schicksalsgöttinnen
spinnen den Lebensfaden, schlagen nur zum Spaß Knoten hinein und
kappen ihn, sobald er ihnen lang genug erscheint. Wann immer jemand
sagt, er wollte sein Schicksal selbst in die Hand nehmen, muss ich
lachen. Über das Schicksal lässt sich höchstens sagen, dass es
einem zustößt. Wer sein Schicksal 'in die eigenen Hände' nimmt,
dem war vorherbestimmt, es in die eigenen Hände zu nehmen. Das eine
schließt das andere aus.“ (Seite 201)
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Erschienen ist der Roman in der Verlagsgruppe Droemer Knaur, dem ich für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares danke.
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