Sonntag, 14. Februar 2021

Elladur. Das Erwachen

Seit ihr Vater sie in die Obhut des Königs gegeben hat, trägt Liya eine nicht unbeträchtliche Last auf ihren 18-jährigen Schultern, ist sie doch Kämpferin, jüngste Beraterin, Abgesandte und auch Spionin des Herrschers von Namoor. Das Mädchen verfügt über zahlreiche Fähigkeiten,die ihr bei der Durchführung heikler Missionen zugute kommen. Dazu gehört ebenso, dass sie Magie wirken kann, diese Gabe verbirgt sie allerdings, weil die Ausübung in ihrem Land verboten und allein den Mitgliedern der Magiergilde vorbehalten ist.

Mit dem Auftauchen eines in der alten, fast vergessenen Sprache verfassten Pergamentes kündigen sich Veränderungen an, die nicht nur die Welt von Liya aus den Angeln hebt. Denn es offenbart Wissen aus dem einstigen magischen Reich Elladur, das nicht mehr existieren soll.

Überraschend ist auch die Verlautbarung des Fürsten Jadmar von Eryon, seine Tochter mit dem gerade gekrönten König des seit dem großen Krieg vor einhundert Jahren verfeindeten Dar’Angaar verheiraten zu wollen. Überdies gibt es Bestrebungen im eigenen Land, König Louis vom Thron zu verdrängen. Dieser handelt und schickt Liya zunächst nach Dar’Angaar.

Auf dem Weg dorthin ist Liya nicht nur einmal gezwungen, ihre Gabe einzusetzen, und so wächst diese in erheblichem Maße. Außerdem entdeckt sie mit Bestürzung, dass der feindlichen König kein geringerer als Haydn, ihr ehemaliger Geliebter, ist. Geht von Dar’Angaar jedoch wirklich die größte Bedrohung aus? Es zeigen sich nämlich bald wesentlich besorgniserregende Gefahren, als sich unerklärliche Vorfälle ereignen und schreckliche Kreaturen erscheinen. Sind sie die Vorboten jenes dunklen Königs, der gestaltlos und in der Finsternis an der Pforte in jener Welt hinter dem Band gemäß der Prophezeiung auf seine Rückkehr wartet?


Angie Delazi legt mit dem ersten Band ihrer Elladur-Trilogie „Das Erwachen“ das Debüt für eine High-Fantasy-Geschichte vor, bei der die Schreibleistung der Autorin unbedingt zu loben ist. Das von ihr anschaulich entworfene Weltengefüge, in dem eine mittelalterliche Umgebung und ein politischen durchdachtes System auf technisierte Objekte treffen, erweist sich als neu und komplex und überzeugt im Großen und Ganzen mit einem soliden Aufbau.

Die Autorin beweist ihre Fähigkeit zu einer versierten, mit einprägsamen Bildern versehenen Darstellung, der eine besondere Faszination innewohnt, wenngleich auch anzumerken ist, dass die Gewichtung der Beschreibung im Einzelnen des Öfteren nicht stimmig wirkt. Darüber hinaus ist die sprachliche Ausgewogenheit nicht beständig, treten doch ausdrucksstarke, fesselnde Episoden neben jene, die zu unersichtlich und bedeutungslos in die Länge gezogen oder gar inhaltsleer sind. Eine Komprimierung und Straffung hätte manchen Szenen gut getan wie anderen Schilderungen mehr Ausführlichkeit und Tiefe. Während zwischenmenschliche Beziehungen mit dynamischer Vehemenz stattfinden, fehlt es beispielsweise Kampfszenen oft an Können, Kraft und Erfahrung, um einprägsam zu sein und den erforderlichen Nachhall zu erzeugen.

Insgesamt gelingt es der Autorin aber, durch die Einbindung gängiger Konflikte um die Macht, Verschwörungen und Winkelzüge mit einem bemerkenswerten Spannungsbogen aufzuwarten. Auch die bis zum Schluss undurchschaubaren Rätsel und Geheimnisse um vergangenes Wissen, das gemeinsam mit den Protagonisten der Geschichte erst erforscht werden muss, halten die Lebendigkeit hoch und tragen trotz der genannten Schwächen sicherlich zu einer beachtlichen Unterhaltung bei.

Angie Delazi fokussiert sich in ihrer perspektivischen Erzählweise aus Sicht von Liya vor allem auf ihre Heldin und charakterisiert diese umfassend und mit viel Leidenschaft. Dadurch können deren vorhandenen Eigenschaften und Emotionen nachempfunden werden, wenn Liya sich im Widerstreit zwischen den verantwortungsvollen Pflichten und ihren Wünschen und Hoffnungen, Liebe und Freundschaft sieht und sich trotz ihrer gefestigten Position gleichwohl mit Ablehnung und Misstrauen auseinandersetzen muss und ihre Entwicklung inmitten einer detaillierten Figurenschar noch lange nicht abgeschlossen ist.

Das nächste fantastische Abenteuer wartet, nicht nur auf Liya. Die im Verborgenen liegenden Hintergründe gilt es in Band zwei hoffentlich bald zu untersuchen.

3,5 Sterne


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