Knirps,
der eigentlich Hastrubel Anaximander Chrysostomos heißt und bisher
braves Kind seiner Eltern gewesen ist, hat mächtige Träume: Ein
Raubritter möchte er werden, genauso gefürchtet wie sein Vorbild
der berüchtigte Rodrigo Raubein. Er will frei sein und Abenteuer
erleben und glaubt, dass er das mit Mama und Papa Dick, ihres
Zeichens biedere Puppenspieler, auf keinen Fall kann. Sie sind
einfach zu verschieden. Während
Knirps sich vor nichts fürchtet,
fürchten seine Eltern sich vor fast
allem. Und während Knirps
alles verändern will, wollen
die Dicks, dass alles so bleibt,
wie es ist.
Eines Tages hat Knirps genug, und da er keine Angst kennt, macht er sich auf den Weg, um
Seeungeheuer zu reiten, Eisriesen unter den Tisch zu trinken und mit
dem Teufel Karten zu spielen.
Das
Ziel seiner Reise: die Schauderburg auf dem Haarzuberg im Bangewald.
Doch hier erwartet Knirps eine Überraschung. Raubritter Rodrigo
Raubein, dessen Namen die Menschen nur hinter vorgehaltener Hand und
in flüsterndem Ton aussprechen, weil schon seine Erwähnung als
gefährlich gilt, scheint so gar nicht angetan von der Absicht des
Jungen, sein Knappe werden zu wollen.
Was
Knirps nicht ahnt, Rodrigo Raubein ist alles andere als das, was die
Leute glauben oder vielmehr, was er sie glauben machen will. Denn in
Wahrheit kann der Ritter keiner Fliege etwas zuleide tun, ja ist ein
sehr ängstlicher Mensch und in der Seele zart wie ein Gänseblümchen.
Er züchtet Kakteen, versorgt sich mit den Früchten aus seinem
Gemüsegarten und möchte bloß von den Menschen in Ruhe gelassen
werden. Deshalb veranstaltet er den ganzen Zinnober mit
düsteren Gruselgeschichten und den entsprechenden Hinweisen und Skeletten rund um seine Schauderburg.
Obwohl
er ihn eigentlich sympathisch findet, will er Knirps bald wieder
loswerden. Und so erhält Knirps den Auftrag, alleine und ohne fremde
Hilfe eine möglichst gefährliche Untat zu begehen, um sich als
Knappe eines Raubritters würdig zu erweisen. Knirps wäre nicht
Knirps, wenn er nicht genau das in Angriff nehmen würde...
„Rodrigo
Raubein und Knirps, sein Knappe“ stammt aus der Ideenschmiede von
Michael Ende. Drei Kapitel seiner Geschichte hat er vor seinem Tod
geschrieben. Nach vielen Jahren wurde sie Wieland Freund in gelungener
Art und Weise mit viel Schwung, Kreativität und einen schelmischen
Stil, der dem des verstorbenen Autors ähnelt, ohne diesen zu
imitieren, zu Ende erzählt.
Die
Geschichte ist, obwohl immer wieder betont wird, dass sie im
finsteren, ja kohlpechrabendusteren Mittelalter spielt, in ihrem Kern
farbenfroh und sprachlich
ausdrucks- und stimmungsvoll, für Kinder und Erwachsene
gleichermaßen anregend.
Genauso
stellen sich die Figuren dar, nicht nur was ihre
Charakterisierung betrifft, sondern gleichermaßen die bildgemäße
Umsetzung. Es gelingt der Illustratorin Regina Kehn, ihre Zeichnungen der Vorlage anzupassen, ohne dass diese immer punktgenau zu
treffen. Vielmehr bewegen sie sich in einem Spielraum, die die eigene
Vorstellung anregen. Zudem verpasst Regina Kehn einigen Szenen eine witzige
oder gar moderne Note, wenn beispielsweise Basecap, Reithelme und
Erste-Hilfe-Tasche ihren Einsatz finden. Daher sind sowohl beim Lesen
als auch Anschauen der Bilder Spaß und Augenzwinkern gesichert.
Knirps
als eine der Hauptfiguren ist kein wirklicher Held, weil er keine
Angst kennt. Er begreift im Verlauf des Geschehens, dass erst derjenige
mutig ist, der Angst hat und seine Angst überwindet. „Sie
lehrt ihn, die guten von den bösen Taten zu unterscheiden… Um böse zu sein,
braucht man keinen Mut. Mut braucht man nur für das Gute.“ (Seite
162)
Natürlich
existiert auch ein richtiger Schurke in der Geschichte, und der
machthungrige Zauberer Rabanus Rochus darf seine Biestigkeit
ordentlich ausleben. Ach ja, einen Gehilfen, den bösartigen und ein wenig tumben Drachen
Wak, gibt es außerdem.
Nicht
vergessen seien der weise Medicus Padrubel und dann noch Filipa Annegunde
Rosa, eine Prinzessin aus Überzeugung, immer und mit jeder Faser
ihres Herzens. Sie kann nichts so schnell erschüttern, und sie lässt
nichts gefallen. Aber Flip ist auch eine Prinzessin mit vielen klugen
Ideen und Überlegungen. „Wer lügt,
sagt mit Absicht die Unwahrheit über etwas, das in Wirklichkeit ganz
anders ist. Wer eine Geschichte erzählt, sagt hingegen die Wahrheit,
selbst wenn er die Wirklichkeit dabei ein bisschen verdreht. Er sagt
auf eine komplizierte Weise die Wahrheit. Obwohl er es manchmal
selber nicht weiß.“ (Seite
97)
Sokrates
muss ebenfalls noch erwähnt werden. Was wäre die Geschichte ohne den
fast hundertjährigen sprechenden Papageien, der immer wieder nachdenklich die Ereignisse begutachtet.
Sie
alle bilden eine vielfältige, lebensfrohe (ausgenommen vielleicht
der melancholische König Kilian der Letzte, der den Frohsinn erst
wieder lernen muss) und schillernde Figurentruppe, in der letzten
Endes jeder seinen Platz findet. Bis auf Rabanus Rochus.
Gerechterweise.
*Werbung*
Erschienen ist das Buch im Thienemann-Esslinger Verlag, dem ich für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares danke.
Liebe Anke,
AntwortenLöschenherzlichen Dank und liebe Grüße
Elisabeth