Dienstag, 14. April 2020

Die letzte Dichterin

Mina Fabelreich ist Dichterin und Geschichtenerzählerin aus Leidenschaft und hofft darauf, eines Tages in Fernab, jener Stadt in Phantopien, in der die letzte Magie des Landes zu Hause ist, auftreten zu können. Zu ihrer Freude erhält sie tatsächlich eine Einladung zum Dichterwettstreit, den Königin Malwine Wüstenherz ausrichtet. Lediglich finden muss sie die Stadt, die für alle Fremden unsichtbar ist. Der jungen Frau wird bald klar, dass sie ihr Ziel nur in Begleitung von Schatzsucher Finn Minengräber, der seine eigenen Träume hat, gelangen kann und macht sich gemeinsam mit ihm auf den Weg. Werden sich in Fernab die Wünsche der beiden erfüllen?


Die letzte Dichterin“ von Katharina Seck ist eine fantastische Geschichte, die einen durch die Schilderung aus wechselnden Blickpunkten von Anfang an in das Geschehen einbindet, obwohl sie im Großen und Ganzen eher mit leisen Tönen daherkommt und erst im letzten Drittel mit überraschenden, lebhaften und intensiven Szenen aufwartet.

Die Autorin beweist mit ihrer Idee eines Phantopiens, dem die Magie verloren geht, Kreativität. Die Veranschaulichung einer Welt und ihrer Bewohner, zeugt von Vielfalt, hätte allerdings durchaus ab und an umfassender gestaltet werden können. Es ist jedoch eine Freude, der detaillierten, bildintensiven und stimmungsvollen Erzählweise zu folgen, die sich in einem poetischen und atmosphärischen Rahmen nicht nur ihrer Heldin Minna widmet.

Hervorzuheben sind die sorgfältig entwickelten Charaktere der Geschichte, zu denen insbesondere die ehrgeizige Königin gehört, die anfangs mit einer Darstellung als das personifizierte Böse auftritt und im Verlauf des Geschehens aufschlussreiche Facetten offenbart.

Daneben begeistert Minna mit ihrer Leidenschaft und ihrem Enthusiasmus für das Dichten, ihrer Zurückhaltung und ihrem Bestreben, mit ihrer Kunst bei den Menschen etwas zu auszulösen. Sie kann ihre Zuhörer in den Bann ziehen, weil sie über eine besondere Form von „Magie“ verfügt. Für ihren Begleiter Finn verkörpert sie die Hoffnung, dass die alten Werte Phantopien nicht gänzlich untergegangen sind. Dass es noch Menschen gibt, denen es Ansehen und Reichtum nicht wichtig sind, denen es gleich ist, ob ihr Spiegelbild attraktiv oder unvollkommen ist, die nicht mitleidig auf verkrüppelte Menschen wie ihn herabsehen. Minna zeigt, dass Geschichten und alte Bücher bedeutsamer sind als Goldkugeln und Diamantschmuck, dass man auch den sternfernen Träumen folgen und an seinen Überzeugungen festhalten kann und nicht an den Werten festhalten muss, die Gewohnheit und Misstrauen vor Veränderung vorgeben.

Finn und seine Elster Schwarzklaue erobern schnell das Herz. Der junge Mann mit seiner verkrüppelten Hand ist einer jener Menschen, die nicht perfekt sind und ihren Platz im Leben noch nicht gefunden haben. Auf der Suche danach verläuft nicht alles glatt, und viele Stolperfallen kreuzen seinen Weg. Aber Finn möchte wie Minna seine Träume verwirklichen, und darum agieren die beiden auch mit einer gewissen vorwärtstreibenden Kraft miteinander.

Die letzte Dichterin“ von Katharina Seck besticht mit einem fantasievollen, durchdachten Plot und ausgezeichneten Charakterstudien, wodurch in der Gesamtbetrachtung ein Lesevergnügen der besonderen Art geboten wird.

4,5 Sterne

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