Für
Jule Rahn ist dieser
2.
November kein gewöhnlicher Tag. Zwar beginnt er wie jeder andere,
und wie immer
setzt
sie auf dem Weg von der Bushaltestelle zu ihrem Arbeitsplatz in einem
Koblenzer
Labor den linken Fuß 923-mal vor den rechten. Zum ersten Mal möchte
sie
allerdings von ihrer exakt berechneten Route abweichen. Jule liebt die Ordnung, und das Flüstern der Zahlen sieht sie als
Hilfe für das Vermeiden von Panikattacken an. Bereits ein Umweg von fünfhundert Metern bedeutet für sie ein Abenteuer.
Unmittelbar darauf bereut sie, dem eigenen Verlangen nach
Herausforderung nachgegeben zu haben. Denn sie erlebt
mit,
wie ein
schwerer Gegenstand neben ihr in den Rhein fällt, es ist ein
Mensch, der
von
der Horchheimer
Brücke
geworfen wurde.
Sie ahnt, dass sie etwas gesehen hat, das nicht für ihre Augen
bestimmt ist, und flüchtet, verfolgt von einem Mann mit einer
feuerroten,
dünnen Narbe
im Gesicht.
Zur
gleichen Zeit beginnt Lucas Prinz seinen ersten Arbeitstag in
Koblenz. Die alte Stadt, die den Menschen, die hier aufgewachsen
sind, vertraut ist, vermittelt dem Polizist, der aus der
Großstadtmetropole Frankfurt am Main versetzt wurde, überhaupt kein
Wohlgefühl. Hinzu kommt, dass er an seinem letzten Arbeitsplatz
vorurteilsfrei auch gegen die eigenen Kollegen ermittelt hat und bei
einigen deshalb
als „Netzbeschmutzer“ gilt. Nun will Prinz das Beste aus seiner
Situation machen und sich zukünftig trotz
der Aussicht auf Langeweile
ausschließlich an die Devise „Dienst nach Vorschrift“ halten, statt
alles bis zur eigenen Zufriedenheit ins Detail aufzuklären.
Von
dem Plan bleibt schnell nichts
mehr übrig. Als ein toter alter Mann am
Rheinufer gefunden
wird und der Hinweis einer aufmerksamen Passantin
zu Jule Rahn als Zeugin führt, stellt sich bei Prinz im Nacken ein
Prickeln ein, das ihn zu einer Spurensuche zwingt. Aber
ist der Aussage von Jule Rahn, die
sich seit Jahren in psychiatrischer Behandlung befindet,
auch eine Bedeutung zuzumessen, oder
ist sie lediglich
eine sonderbare,
mit Zwangsneurosen behaftete junge Frau?
Der
Fall erhält eine verzwickte Seite, als Jule Rahn außerdem
von
dem „Verschwinden“ zweier Nachbarn berichtet. Und die alten Leute
sind nicht die einzigen, die plötzlich ins Pflegeheim übersiedeln,
ohne eine Spur zu hinterlassen. Hat eine
Schönheitsklinik in den Alpen damit zu tun?
Jule
Rahn und Lucas Prinz schlittern gemeinsam in eine Sache hinein, die
ihnen alles abverlangt. Denn ihre Gegenspieler wollen sich nicht nur
nicht in die Karten schauen lassen, sondern auch verhindern, dass
ihre Machenschaften aufgedeckt werden. Dabei setzten sie alle Mittel
ein, über die sie verfügen, und sie schrecken auch nicht davor
zurück, unleidige Mitwisser aus dem Weg zu räumen...
Mit
„Das Ambrosia-Experiment“ hat Volker Dützer einen
stimmungsvollen Thriller geschrieben, der unterschiedliche Themen
anspricht: Korruption und Machtmissbrauch, Manipulation und
Beeinflussung sowie die daraus resultierende Abhängigkeit von
Menschen in sogenannten religiösen Glaubensgemeinschaften (Sekten),
die Sehnsucht nach Alterslosigkeit und Unsterblichkeit, soziale und
emotionale Zwänge und Störungen.
Volker
Dützer folgt mit seiner gut aufgebauten Geschichte einem stringenten
Ablauf, der bis auf wenige wiederholende und langmütige Momente
stetig an Tempo und Brisanz zunimmt.
Er
entwirft einen bemerkenswerten Plot, in dem er die Frage aufwirft, ob ein Mittel wie Ambrosia, die Nahrung der unsterblichen Götter des
Olymp, tatsächlich existieren könnte, und stellt die damit
verbundenen Risiken dar. Es sind wieder einmal Menschen, die ihren
eigenen Interessen folgen und zu Lasten anderer agieren. Ein
erschreckend realistische Zukunftsvision, von der im Grunde zu
hoffen ist, dass sie niemals wirklich eintritt.
Auf
die Ausarbeitung seiner Hauptfiguren hat Volker Dützer
augenscheinlich viel Wert gelegt. Lucas Prinz und Jule Rahn könnten
nicht unterschiedlicher sein. Trotzdem schafft es der Autor, ihre
Persönlichkeiten und die Annäherung der beiden auf einleuchtende
Art und Weise zu schildern. Dabei
versteht er es, Emotionen
verständlich
und nachvollziehbar zu gestalten
und zu
transportieren, so dass
sie
beim Leser ankommen.
Lucas
Prinz ist eher der Typ Mann, der keine Freundschaften pflegt und
Gefühle zeigt. In seinen fünfzehn
Jahren als
Polizist
hat er einen
Sinn darin gesehen, mit
Energie und Enthusiasmus Verbrechen aufzuklären und Täter vor
Gericht zu bringen. Mit
Ergebnis, das seine Ermittlungen in den eigenen Reihen zu Tage
brachte, ist er nicht unbedingt glücklich.
Die Begegnung mit Jule bewegt etwas in Prinz und
seiner stumpf gewordenen Seele.
Er spürt ihre Beklemmung,
Verzweiflung,
Misstrauen
und Unsicherheit. Alles
soll so bleiben, wie ist und sich nicht verändern. Dadurch kann Jule
die Kontrolle behalten, auch wenn dies Einsamkeit und verpasste
Chancen bedeutet. Im Grunde möchte Jule nicht vor der
Wirklichkeit fliehen, sondern am Leben draußen teilhaben. Als
Sechsjährige gehörte sie zur Sekte der Jünger des Lichts und
überlebte als einzige den Massenselbstmord von 158
Mitgliedern, unter denen sich auch Jules Eltern befanden, und
sie leidet unter Schuldgefühlen.
Im
Verlauf der Ereignisse lässt Jule
eine
herausragende
Entwicklung erkennen.
Nicht nur, dass sie die
sie umgebende spröde
Schale
durchbrechen kann. Jedoch
wird das
Erreichen einer ihr bislang unbekannten Freiheit von
dauerhaftem Erfolg gekrönt sein?
4,5 Sterne
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Erschienen ist der Roman bei beTHRILLED, ich danke für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares.
4,5 Sterne
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Erschienen ist der Roman bei beTHRILLED, ich danke für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares.
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
AntwortenLöschenIch habe wegen eines Tippfehlers gelöscht.
LöschenKlingt gut, liebe Anke.
AntwortenLöschen4,5 Punkte ist ja nicht schlecht.
Und wenn ich wieder mal Zeit habe, dann wird das ein "musthave".
Danke für die gute Info.
♥lichst, Gisa