Stefan
Moses sticht aus der Masse hervor, und sein Erscheinen sorgt für Irritationen. Hieran hat sich in fast fünfzehn Dienstjahren bei der Kriminalpolizei Hamburgs
nichts geändert. Denn der elegant gekleidete Mann wurde in Afrika geboren, und
nicht wenige begegnen ihm mit einer Mischung aus Anspannung und Misstrauen. Moses reagiert darauf mit einer gewissen Seelenruhe
und Nonchalance.
Für
einen neuen Fall werden er und seine Kollegen auf einen Spielplatz gerufen. Dort sitzt ein nackter Mann auf einer Bank, als würde er zur Schau
gestellt werden. Auch die Todesursache gibt Rätsel auf. Offensichtlich ist der
Mann im Meer ertrunken und dann nach Hamburg transportiert worden. Warum macht
sich jemand die Mühe? Und was sind das für durchsichtige Kreaturen, die sich
aus seinen Körperöffnungen herauswinden?
Moses
ist ein akribischer Ermittler. Je schwieriger eine Nuss zu knacken ist, je
raffinierter der Täter zu Werke geht, desto mehr genießt er die Jagd. Doch bei
diesem Fall passt irgendwie nichts zusammen, und trotz einiger Spuren erweist
sich deren Verfolgung als Sackgasse. Wenn es nur das wäre. Zurechtkommen muss
Moses auch damit, dass sein Chef ihm höchstpersönlich eine neue Mitarbeiterin aufs
Auge drückt.
Und
noch etwas beunruhigt Moses: Eine innere Stimme sagt ihm, dass ihn
dieser Fall an seine persönlichen Grenzen führt…
„Moses
und das Schiff der Toten“ ist eine klassische Kriminalgeschichte, die von einem
Zusammenspiel aus Ermittlungsarbeit und privaten Gegebenheiten der agierenden Personen lebt.
Ortwin
Ramadan baut den Fall gekonnt auf, bietet eine durchdachte Handlung an realen Hamburger Schauplätzen und unter anderem einen wirklichkeitsnahen Einblick in
die tägliche Routine der Kriminalkommissare, die oft von einer eintönigen
Spurensuche geprägt ist. Der Autor schlägt einen wohltuend ruhigen Ton an, der
zur Hansestadt und ebenso zum Ermittlerteam passt. Ferner wird der Roman sprachlich in annehmbar menschlicher Weise erzählt, mit wenigen Abstrichen wegen einiger Wiederholungen und grammatikalischer Fehler.
Moses
und seine Kollegen sind trotz mancher Reibungen untereinander ein eingespieltes
Team. Frischen Wind erhält das Ganze durch die Neue, Katja Helwig, die sich nach
drei Jahren beim Mobilen Einsatzkommando (MEK) versetzen ließ und
auffällt, nicht nur weil sie sich das eine oder andere Mal im Ton vergreift oder
mit schnellen Urteilen reagiert.
Mit
fortschreitenden Ereignissen erhöht Ortwin Ramadan den Spannungsfaktor und
setzt auch in Puncto Emotionalität eine Schippe drauf. Das kommt genauso gut an wie das Ringen von Moses um Bekenntnisse in seiner Beziehung zu Juliane und
die Auseinandersetzung mit einer Vergangenheit, von der er Albträume hat.
„Nichts
war grausamer als die Stille davor. Wenn die Welt in einem einzigen stummen
Schrei erstarrte und die Angst seine Seele fraß, bis allein das rasende Tier in
ihm übrig blieb.“
Der
Autor offeriert insbesondere mit Stefan Moses und Katja Heil interessante und
ungewöhnliche Ermittler. Es ist die dunkle Hautfarbe von Moses, die bei
einigen unverhohlene Abneigung hervorruft. Damit hat er gelernt umzugehen, und
es gibt wenig, was ihn in Rage versetzt. Fehlende Loyalität beispielsweise.
Nach
dem Unfalltod seiner Adoptiveltern ist er über Nacht zu einem wohlhabenden Mann
geworden, der sich im Grunde nichts aus materiellen Dingen macht, lediglich das
in den 1920er-Jahren erbaute Mietshaus am Ende der Forsmannstraße in Winterhude kaufte. Keiner der Mieter ahnt allerdings, dass dem schwarzen Polizist aus der
Dachwohnung das Haus gehört.
Auch
Katja Helwig entspricht so gar nicht dem Bild einer herkömmlichen
Kriminalbeamtin, trägt sie doch Piercings und rappelkurze Haare. Zudem ist ihr
familiärer Hintergrund – das Aufwachsen im Plattenbau bei alkoholkranken Eltern
– äußerst prekär. Sie neigt in Fällen, in denen sie das subjektive Gefühl hat,
ungerecht behandelt zu werden, zu diffusen Aggressionsschüben, etwas, das Moses
überhaupt nicht gebrauchen kann. Entsprechend lässt sich die Zusammenarbeit
zunächst nicht optimal an.
Die
Nebenfiguren haben Potential, allein beim Polizeidirektor überzieht der Autor. Als
Mann, der sich überaus wichtig nimmt, großspurig verhält und vor allem am
eigenen Erfolg interessiert ist, wird er in ein stereotypes Bild gepresst, auf
das eher verzichtet werden kann.
Insgesamt aber legt Ortwin Ramadan einen lesenswerten, traditionellen Kriminalroman vor, der mit Lokalkolorit und unkonventionellen Protagonisten punktet, die sich für den nächsten Fall noch ein paar ungelöste Geheimnisse bewahren.
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Erschienen
ist der Roman im Atrium Verlag, dem ich für die Bereitstellung des
Rezensionsexemplares danke.
Liebe Anke,
AntwortenLöschenherzlichen Dank für deine Rezension.
Alles Liebe
Elisabeth