Die
zehnjährige Immy zieht mit ihren Eltern aus dem weit entfernten
Sydney nach England, damit einerseits
Immys
Mutter in einer Spezialklinik in
Cambridge
arbeiten kann. Andererseits
bedeutet dies auch einen Neuanfang für die Familie. Denn die
emotionalen
Probleme von
Immys Vater bedrohen den Familienzusammenhalt. Als ehemaliger
Hausarzt leidet der Vater nach einem Vorfall mit einem seiner
Patienten, in dessen Folge zwei Menschen ums Leben kamen, an
Depressionen und kann nicht mehr arbeiten.
Auf
der Suche nach einem neuen Heim entdecken sie ein ansehnliches
Cottage in einem kleinen Dorf, das ihren Vorstellungen entspricht.
Nur der uralte, knorrige
und völlig
blattlose, ja
dadurch dunkel
und sehr wild aussehende Maulbeerbaum im Garten lässt sie in der
Entscheidung wanken. Und dann ist da noch die Legende, dass eben
jener Baum Mädchen am Vorabend ihres elften Geburtstages "stiehlt".
Während das ganze Dorf sich von dem Baum fernhält, und obwohl
bereits zwei Mädchen spurlos verschwunden sind, glauben Immys Eltern
nicht daran und ignorieren die Warnungen. Immy selbst fühlt sich vom
Haus und den
Gerüchten
über
den unheimlichen
Baum angezogen, bald hört sie ein seltsames Lied in ihrem Kopf.
"Am Maulbeerbaum geh nur behutsam vorbei,
sonst
holt er die Töchter sich,
eins,
zwei, drei.
Im
Dunkeln und heimlich – spurlos sogar,
erleben
sie nie ihr zwölftes Jahr."
Die Familie zieht in das Haus, und Immy
und ihre Eltern
versuchen, ihre neue Existenz
aufzubauen. Der
elfte
Geburtstag von Immy rückt stetig näher, und mittlerweile sieht
Immy Dinge und Bilder, die nicht wirklich da sind. Immer öfter fragt
sie sich, ob sie das Rätsel lösen kann oder ob auch sie
ein Opfer des Baumes wird...
„Der
Maulbeerbaum“ von Allison Rushby
ist eine rätselhafte Geschichte,
bei der Logik
und rationales
Denken ein
wenig beiseite geschoben und die Fantasie des jugendlichen Lesers
angeregt werden.
Eine
aufgeladene
Stimmung und
unerklärliche, paranormale
Ereignisse schaffen einen gruseligen und
packenden
Spannungsfaktor, der altersgerecht und zu keinem Zeitpunkt verstörend
oder gar abschreckend ist. Tatsächlich
ruft der Baum
unterschiedliche Emotionen hervor. Steht
zu
Beginn dessen
Bösartigkeit
im Vordergrund und
geht damit Ablehnung einher,
überwiegt später
das Mitleid.
Die
Autorin erzählt von
alltäglichen Problemen, dem Umgang mit
Mobbing und psychischen Erkrankungen, den
Auswirkungen auf die Menschen und
ihre Beziehungen, den Versuchen, dies
alles zu bewältigen.
Allison
Rushbys Figuren sind glaubwürdig und realitätsnah. Immy wächst bei
fürsorglichen und liebevollen Eltern auf, die nicht losgelöst von
eigenen Schwächen betrachtet werden. Die Autorin macht ihren
jugendlichen Lesern bewusst, dass es eben im Leben der Erwachsenen
nicht nur perfekte Momente gibt, sondern auch solche, in denen sie
keine Antworten haben, dass sie manchmal nicht einmal die Fragen
kennen. Dass sie manchmal sich selbst nicht mehr (er)kennen.
Immy
ist unglaublich reif für ihr Alter und setzt sich entschlossen und
mutig mit den Tatsachen auseinander. Streit oder Konflikte
sind überhaupt nicht ihr Ding. Vorhandener
Ängste und das auf sie einwirkenden übernatürliche
Geschehen halten sie nicht davon ab, das Geheimnis des Baumes zu
ergründen.
Dabei trifft sie immer wieder auf Gefühle, die sie
einordnen muss. Gerade die Konfrontation mit dem, was ihr Vater
durchmacht, nötigt ihr einen Lernprozess ab. Es ist schwer für ein
Mädchen ihres Alters, ihren einst aktiven, an allem beteiligten Vater
nun als traurige und defensive Person zu sehen, die sich dem Leiden
hingibt.
Allison
Rushby verdeutlicht an der Figur von Immy, wie wichtig es ist, verständnisvoll, leidenschaftlich und hilfsbereit für etwas
einzutreten.
Und so zeigt sich „Der
Maulbeerbaum“ letzten Endes als
eine beachtliche und
faszinierende
Parabel für das Helfen, Verantwortung, Heilung,
Vergebung und
Wertschätzung des Lebens und verdeutlicht, dass Hass und Wut nicht funktionieren.
4,5 Sterne
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Erschienen ist das Buch im Verlag Urachhaus, dem ich für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares danke.
Liebe Anke,
AntwortenLöschenherzlichen Dank für deine Rezension.
Sonnige Grüße
Elisabeth