Sonntag, 11. Oktober 2020

Sohn der Unterwelt

Kryos hat kein einfaches Leben. Zwar ist sein Vater der Gott der Unterwelt, aber seine Mutter, eine Gorgone und nicht mit ihm verheiratet. Verständlich, dass Persephone, die Angetraute des Hades, nicht besonders gut auf Kryos zu sprechen ist, obwohl der ja im Grunde nichts für seine Existenz kann. Trotz seiner Herkunft hat der junge Halbgott große Träume: Er hofft auf einen Platz im Olymp an der Seite der Götter. Sein Wunsch könnte sich tatsächlich erfüllen, wenn er die Mission in der Welt der Menschen, die ihm Zeus aufträgt, erfolgreich meistert. Kryos soll ergründen, warum Dorimedon, der König von Akora, plötzlich unbesiegbar ist, gegen seine Nachbarstädte Krieg führt und dem Göttervater abgeschworen hat.

In der Gestalt des Prinzen Yamin begibt sich Kryos auf ein Abenteuer, das ihn verändern wird, vor allem als er Yamins Verlobte, Prinzessin Io kennenlernt. Bislang hatte Io die zum Schutz ihrer Heimat arrangierte Ehe akzeptiert. Yamin ist ein Mann des Geistes und beschäftigt sich mit der Mathematik und den Lehren von Archimedes. Dass er plötzlich auch Schwert und Dolch beherrscht, erstaunt Io, und viele Reaktionen lassen sie den Prinzen in einem anderen Licht sehen. Sie spürt, dass sich ihre Empfindungen ihm gegenüber ändern.

Auch Kryos entwickelt mehr Gefühle als Sympathie für Io, so dass er letztlich vor der Entscheidung steht, was wichtiger für ihn ist: die Liebe oder die Göttlichkeit…

Mit „Sohn der Unterwelt“ ermöglicht uns Dana Graham eine mit fantastischen Elementen ausgestattete Begegnung mit einem Teil der griechische Mythologie. Die Autorin nutzt einen gefälligen und leichtfüßigen Schreibton, der sich mit Ausnahme gelegentlicher Ausflüge in die Moderne gut in das antike Zeitalter einfügt und Zusammenhänge erklärt. Sie reichert die passende Kulisse und die ausführlich dargestellten Begebenheiten mit Ausflügen in die mathematischen und wissenschaftlichen Forschungen an und gewährt so einen Blick auf erste Erfindungen. Nach anfänglichem zögerlichen Start entfaltet die Handlung einen einnehmende Stimmung und beinhaltet neben faszinierenden auch emotionale Momente. Dabei leben die Ereignisse insbesondere von den Geheimnissen, Intrigen und der mit einem Wechseln des Körpers verbundenen Komplikationen, woraus unterhaltsame kleine Überraschungen resultieren.

Die Figuren überzeugen im Großen und Ganzen. Lobenswert ist hierbei die Einbindung querer Charaktere, so dass die Autorin nicht nur eine, sondern zwei Liebesgeschichten in das Geschehen einfügt.

Allerdings gebe ich zu, dass ich mit Kryos zunächst nicht viel anfangen konnte. Zu sehr war er in seiner Düsternis darauf fixiert, in den Olymp aufzusteigen, um dadurch seine in den Augen der anderen „schlechte“ Herkunft beseitigen zu können. Doch Dana Graham gelingt eine nachvollziehbare Schilderung seiner Entwicklung, die mein Verständnis und meine Anerkennung bekommt.

Kryos wird von einem Mann, dem die Folgen seines eigenen Handelns egal sind, zu einem, der mit Entschlossenheit und Tapferkeit für andere Menschen eintritt. Einer, der sich letztlich die entscheidende Frage stellt: Was bedeutete ein Leben in Unendlichkeit ohne die Liebe? Begleitet ihn bei der Suche nach einer Antwort...


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